Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist

ID 90858
 
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Am 01.01.2018 trat das Betriebrentenstärkungsesetz in Kraft, das von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Produktanbietern und Beratungsunternehmen gelobt wird, denn alle profitieren davon, AUSSER die Versicherten selbst. In dieser Sendung werden die Schwachstellen des Gesetzes analysiert.

Studiogast: Helmut Achatz, Finanzjournalist

Anmerkung: es sind 3 Sendekennungen enthalten, passend für Musikpausen, bei: ca 13:51; 28:08 und 38:00 Minuten.
Audio
50:57 min, 47 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 05.09.2018 / 20:09

Dateizugriffe: 2836

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Arbeitswelt im Wandel
Entstehung

AutorInnen: Karin Bergs
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 05.09.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Thema: Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist

es gilt das gesprochene Wort.


Herzlich willkommen bei „Arbeitswelt im Wandel“,
In der heutigen Sendung wollen wir wissen, "Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist ". Dazu begrüße ich sehr herzlich meinen Studiogast: den Finanzjournalisten Helmut Achatz.

Am Mikrophon begrüßt Sie Karin Bergs, die für diese Sendung und die Sendereihe verantwortlich ist.

Moderator
Zum 1. Januar 2018 ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft getreten. Das Wort Betriebsrentenstärkungsgesetz an sich ist ein ziemliches Wortungetüm, bestehend aus 8 Silben mit 29 Buchstaben und die Frage: warum bedarf es eines ‚Stärkungsgesetzes‘ überhaupt, oder was soll eigentlich ein ‚Stärkungsgesetz‘ sein? steht direkt im Raum, oder lässt gar einen zahnlosen Papiertiger vermuten. Doch erst mal der Reihe nach:

Die Ex-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lobt ihr Betriebsrentenstärkungsgesetz über den grünen Klee. Kein Wunder, ist es doch ihr Baby für das sie jahrelang gekämpft hat. „Tatsächlich wird die Reform nach diversen Nachbesserungen gelobt – von Gewerkschaften, Arbeitgebern, Produktanbietern und Beratungsunternehmen“, meinte zumindest die „Frankfurter Allgemeine“ vom 3. Januar 2018. Verständlich, denn es profitieren alle davon, AUSSER die Versicherten selbst. Das hat den Versicherten bisher allerdings noch keiner gesagt. In dieser Sendung wollen wir die Fehler dieses Gesetzes der Reihe nach aufdecken.

Doch erst mal die Frage: Was ist eigentlich eine Betriebsrente? Im Oktober 2017 habe ich eine ganze Sendung über ‚betriebliche Altersversorgung‘ gemacht, die ich auch auf der LORA Homepage als Podcast abgelegt habe. Erst mal eine kleine Einführung: was ist eine Betriebsrente, hat die jeder, der in einem Betrieb arbeitet?


Gast:
Nein Betriebsrente hat nicht jeder!
Pensionskasse in Zahlen: (Zahlen von 2016)
 Über 140 MRD (143 MRD €) haben die Deutschen bei Pensionskassen angelegt
 Fast 5 MIO (4,8 MIO) Arbeitnehmer sorgen aktiv via Pensionskasse vor, meist Männer
 Fast 2 MIO (1,8 MIO) Versicherte besitzen Rentenansprüche, zahlen aber aktuell nicht mehr ein
 Ca. 100 € (105 €) beträgt der durchschnittliche Monatsbeitrag bei einer Entgeltumwandlung


Moderator:
Was bedeutet denn ‚Entgeltumwandlung‘?

Gast:


Moderator
Wen betrifft denn eine Betriebsrente, oder anders gefragt, wie kommt man in den Genuss einer ‚Betriebsrente‘?


Gast:
Eigenfinanziert <-> Firmenfinanziert

Moderator:
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Auf eine firmenfinanzierte Rente habe ich keinen Anspruch, das entscheidet alleine die Firma ob es das gibt oder nicht, auf eine eigenfinanzierte Rente habe ich einen Anspruch, die muss meine Arbeitgeberin mir anbietet, wenn ich sie haben will.

Gast:

Moderator:
Jetzt gehen wir mal davon aus, wir haben bereits eine Betriebs-rente, für die es das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz gibt. Wir wollen in dieser Sendung ja über die Fehler dieses Gesetzes sprechen. Wo ist da der Fehler?



Gast:
Mir fallen da 12 Fehler ein!

Moderator:
Gleich 12 Fehler? Na dann mal der Reihe nach. Was ist denn der erste Fehler?

Gast:
Fehler 1: Warum gilt das Gesetz erst ab 2022?
Im Betriebsrentenstärkungsgesetz heißt es „Übergangsvorschrift zu § 1a Absatz 1a § 1a Absatz 1a gilt für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022.“ Und in 1a steht: „Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“ Also besser bis 2019 warten -– oder?

Moderator:
Na ja, das ist doch nicht selten, dass ein Gesetzt erst ab einem bestimmten Stichtag in Kraft tritt. Aber 4 Jahre scheint schon lange.


Gast:
Damit wären wir automatisch bei Fehler Nummer 2: Der Arbeitgeber spart sich Sozialversicherungsbeiträge, muss aber nur 15 Prozent davon ausgleichen, indem er den Betrag an die Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleitet. Die müssen die weitergeleiteten Beträge verwalten. Das kostet natürlich Geld, so dass dem Versicherten keine 15 Prozent gutgeschrieben werden.

Moderator:
Was bedeutet das? Wenn ich von meinem verdienten Geld 200 € bezahle, dann ist es für den Arbeitgeber, als ob ich dieses Geld gar nicht verdient hätte und er bezahlt keine Sozialversicherung dafür?

Gast:
Aber Sie müssen die Verwaltungsgebühren bezahlen bei den Versicherungen.


Moderator:
Aha, klingt so, als ob das für mich teuer wird.

Gast:
Genau.

Nicht nur Gebühren fallen an, auch Doppelverbeitragung

Moderator:
Doppelverbeitragung ist wieder so ein Wortungetüm, wo man sich erst mal nichts vorstellen kann. Was bedeutet Doppelverbeitragung?

Gast:
Das ist eigentlich der schlimmste Fehler dieses Gesetzes! Und komischerweise geht keiner darauf ein, weder Gewerkschaften, noch Arbeitgeber, noch Produktanbieter und Berater.
Doppelverbeitragung bedeutet:
Bei Auszahlung muss Rentner Arbeitnehmer + Arbeitgeberanteil zahlen

Aber genau dieser Artikel 4 (am besten selbst nachlesen) macht die betriebliche Altersvorsorge uninteressant. Artikel 4 im Koalitionsvertrag ist kontraproduktiv und sabotiert die betriebliche Altersvorsorge. In Artikel 4 des Koalitionsvertrags steht: „Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch In § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757) geändert worden ist, wird der Punkt am Ende durch folgenden Halbsatz ersetzt: ,; außer Betracht bleiben Leistungen aus Altersvorsorgevermögen im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes.‘“ Das steht da tatsächlich drin, mit einem lapidaren Halbsatz: außer Betracht bleiben … Andrea Nahles hat das so verklausuliert, damit es ja keiner begreift.

Moderator:
Doppelverbeitragung der betrieblichen Altersversorgung muss man jetzt aber erklären. Was bedeutet das?

Gast:
bei Auszahlung einer Betriebsrente muss der Rentner sowohl den Arbeitgeber-, als auch den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung (außer der Rentenverischerung) ALLEINE bezahlen. Die Arbeitgeberin spart sich durch jede betriebliche Altersversorung in der Erwerbsphase die Sozialkosten, deswegen ist das Modell der betrieblichen Altersvorsorge für unsere Arbeitgeber durchaus lukrativ und wird von den Arbeitgebern empfohlen. Die Sozialkassen bekommen dadurch aber nicht weniger Einzahlungen, denn in der Auszahlungsphase wird einseitig vom Versicherten eingezahlt.


Die Doppelverbeitragung in der betrieblichen Altersvorsorge wird nur, die Betonung liegt auf „nur“, für betriebliche Riester-Rente abgeschafft. Das sind Renten im Sinne des §92 des EstG). Alle andere „Leistungen aus Altersvorsorgevermögen“, sprich Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen werden, wie bisher, doppelt verbeitragt – in der Anspar- und vor allem in der Rentenphase. Das heißt, in der Rentenphase schröpft die Krankenversicherung alle, die brav vorgesorgt haben. Sie werden um die Früchte ihrer Bemühungen gebracht. Die Proteste des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) haben nichts gebracht. Nahles hat sich einfach darüber hinweggesetzt mit ihrem Gesetz. Die ungerechte Doppelverbeitragung hätte abgeschafft werden müssen, fordert der Bund der Versicherten (BdV) schon seit langem.
Die Lobby der Krankenkassen hat sich aber durchgesetzt. Alle, außer betrieblichen Riester-Sparern, müssen auch weiterhin doppelt Krankenkassenbeiträge für ihre Altersvorsorge zahlen. Damit sei das wichtigste Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes verfehlt.

Moderator:
Wer gehört denn zu den Lobbyisten in der Bundesregierung, die diese Doppelverbeitragung so unsbemerkt eingeführt haben und auch dafür sorgen, dass sie bestehen bleibt?

Gast:
Wer zu den Lobbyisten in der Bundesregierung gehört, ist mittlerweile auch klar: Es sind vor allem Ex-Krankenversicherungsfunktionäre in der Union. Damit allerdings wird es nichts mit der Stärkung der Betriebsrente, was Sinn und Zweck dieses Gesetzes sein soll.
Wie viel Geld das ist, das brave Altersvorsorger an die gesetzliche Krankenkassen zahlen, lässt sich am besten an dieser Tabelle ablesen: Seit 2000 bis 2016 sind die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus Bezüge der betrieblichen Altersvorsorge und anderen Versorgungsbezügen haben sich annähernd vervierfacht – von 1,5 Milliarden Euro im 2000 auf 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2016. Dieses Geld fehlt den Betriebsrentner natürlich im Alter. Deswegen schwimmen die Krankenversicherungen zurzeit auch im Geld.


Moderator: (Zusammenfassung)
Eigentlich wollen wir über das Betriebsrentenstärkungsgesetz sprechen, kommen aber nicht drum rum, über die Doppelverbeitragung von Zusatzrenten im allgemeinen zu sprechen. Denn 2003 beschloss die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmit zusammen mit Horst Seehofer das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, als Sanierungsmodell der Krankenkassen. Seit 2004 muss bei jeder Zusatzrente 10 Jahre lang voller Beitragsatz, also Arbeitgeber- und Arbeitnemeranteil an die Krankenkassen überwiesen werden, sogar rückwirkend, für Verträge die schon vorher abgeschlossen wurden. Das sind zur Zeit ca.18 %. Ausgenommen davon sind lediglich die privaten Krankenkassen und 20xx wurde auch die Riesterrente davon ausgenommen. Denn allmählich haben die ArbeitnehmerInnen begriffen, wie wenig bei einer Riesterrente von den Einzahlungen übrig bleibt.

Nach der Pause erklärt uns Helmut Achatz was mit einer Grundsicherung durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz passieren wird.

Sendekennung

Moderator:
Weiter geht’s bei Arbeitswelt im Wandel mit der Sendung "Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist“.
Mein Studiogast ist der Münchner Finanzjournalist Helmut Achatz, der sich intensiv mit der Gesetzesvorlage auseinander gesetzt hat und daran Kritik äußert. Wir haben bereits 3 Fehler analysiert, als schlimmster Fehler wird die Doppelverbeitragung der Betriebsrenten empfunden. Doppelverbeitragung bedeutet dass Betriebsrentner bei der Auszahlung Arbeitgeber- plus Arbeitnehmeranteil an Krankenkassenbeiträgen zahlen müssen. Außer wer privat krankenversichert ist, denn die privaten Krankenkassen haben das bereits 2004 durchschaut und für ihre Versicherten nicht beansprucht. Für die gesetzlichen Krankenkassen hat sich die Doppelverbeitragung dagegen als ausgesprochen lukrativ erwiesen.
Doch fahren wir fort mit weiteren Fehlern des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Was passiert mit einer Betriebsrente, wenn man auf Grundsicherung angewiesen ist?


Gast: Fehler 4
Grundsicherung
Wer im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist, dem wird davon die Betriebsrente abgezogen – bislang. Das heißt, er bekam bislang auch nicht mehr, als jemand, der nicht fürs Alter vorgesorgt hat. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ändert das: Künftig dürfen Geringverdiener hundert Euro aus einer Betriebspension behalten, wenn sie im Alter verarmen und auf Grundsicherung angewiesen sind. Zuzüglich dürfen sie weitere 30 Prozent „des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge“ behalten, aber nur bis maximal 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1“. Was ist das für ein Vorsorgeverständnis: Wer eigenverantwortlich vorsorgt, darf nur ein Zuckerl behalten, wenn es ihm im Alter schlecht geht. Was sind schon hundert Euro in fünf, zehn oder 15 Jahren? Übrigens die Regelbedarfsstufe 1 liegt aktuell (2018) bei 416 Euro.

Moderator:
Was ist denn eine Regelbedarfsstufe?

Gast:


Moderator:
Das klingt nun sehr theoretisch. Können Sie da mal ein Beispiel rechnen?

Gast:
Klar!
Beispiel: Die monatliche Rente aus zusätzlicher Altersvorsorge beträgt 320 Euro. Vollständig anrechnungsfrei sind hundert Euro. Von den verbleibenden 220 Euro bleiben noch 30 Prozent anrechnungsfrei – also 66 Euro pro Monat.
Der gesamte Freibetrag darf indes 50 Prozent des Eckregelsatzes, sprich 208 Euro nicht überschreiten.

Moderator:
Und was bedeutet Eckregelsatz?

Gast:

Dies ist in diesem Beispiel erfüllt. Der gesamte Freibetrag liegt also bei 166 Euro pro Monat. Damit allerdings kommt niemand in Großstädten wie München und Hamburg über die Runden. Die Lebenshaltungskosten für einen Rentner (Single) liegen laut finance scout 24 bei rund 1000 Euro, dabei sind nur die Grundbedürfnisse abgedeckt. Die Rentner werden also auch künftig zur Tafel gehen.

Wachsende Armut: Grundsicherung im Alter ist mittlerweile kein Randproblem mehr: Mittlerweile sind mehr als eine halbe Million Rentner auf Grundsicherung angewiesen. Das ist eine Steigerung um 36 Prozent seit 2016. Frauen sind überproportional von Altersarmut betroffen, denn die Zahl der weiblichen Grundsicherungsempfängerinnen liegt bei 308.726, die der Männer bei 216.869. Das Armutsrisiko steigt also.

Moderator:
Wie ist denn die Versteuerung der Betriebsrenten während der Arbeitsphase? Gibt es da nicht Steuervorteile?

Gast:
Da kommen wir gleich zu Fehler Nr. 5! Die Beitragsbemessungsgrenze

Moderator:
Jetzt müssen wir Beitragsbemessungsgrenze aber auch noch erklären!

Gast:

Beitragsbemessungsgrenze ist nicht gleich Beitragsbemessungsgrenze. Die Steuerfreiheit von betrieblichen Altersvorsorgeverträgen wurde auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erhöht, Sozialabgabenfreiheit bleibt indes bei vier Prozent beschränkt. Als Folge sieht der Bund der Versicherten: „Wer zukünftig die Entgeltumwandlung bis zur steuerfreien Höchstgrenze nutzt, muss sich auf eine empfindliche Doppelbelastung seiner Betriebsrente durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einstellen“. Das Perfide, der volle Beitragssatz wird in der Rente fällig, insgesamt mehr als 18 Prozent, wie jeder mittlerweile weiß, da ja zur Krankenversicherung noch der Zusatzbeitrag und die Pflegeversicherung kommt – Tendenz steigend. Für die betriebliche Altersvorsorge kommt das einer kalten Enteignung gleich. „Wer Betriebsrenten stärken möchte, muss Betriebsrentner von solchen widersinnigen Belastungen befreien“, so Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV). Es sei völlig unverständlich, dass diese Gerechtigkeitslücke mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz sogar nochmals weiter geöffnet wird, empört sich Kleinlein. Das Problem der Altersarmut lasse sich so nicht lösen, das sei „blauäugig“. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist alles andere als zukunftsfähig.


Moderator:
Für wen ist eigentlich das Betriebsrentensträkungsgesetz gemacht?

Gast: Fehler Nr 6
Nur für Großkonzerne –meint zumindest Andrew Hartsoe
„Das Sozialpartnermodell ist für Großkonzerne gemacht und für mittelständische Betriebe nicht zu bewältigen“, wird Andrew Hartsoe, verantwortlich für Betriebsrenten beim Finanzberater Plansecur in der „Frankfurter Allgemeinen“ zitiert. Der Mittelstand sei oft nicht tarifgebunden. „Bleibt es dabei, ist das Modell von Nahles ein Rohrkrepierer“, sagt Hartsoe. Es bleibt erst mal dabei. Damit sind Millionen von Arbeitnehmern außen vor, denn von 2000 bis 2016 ist die Tarifbindung der Hans-Böckler-Stiftung zufolge in Westdeutschland von 70 auf 59 Prozent gesunken, in Ostdeutschland von 63 auf 47 Prozent. Wie heißt es doch so schön im Gesetzestext:
„Soweit Entgeltansprüche auf einem Tarifvertrag beruhen, kann für diese eine Entgeltumwandlung nur vorgenommen werden, soweit dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder durch Tarifvertrag zugelassen ist. (2) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann geregelt werden, dass der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer oder für eine Gruppe von Arbeitnehmern des Unternehmens oder einzelner Betriebe eine automatische Entgeltumwandlung einführt, gegen die der Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht hat (Optionssystem).

Moderator:
Dumm nur, dass nur die Hälfte der Beschäftigten eben tarifgebunden sind.

Gast:
Das ist leider so.

Moderator:
Und was wird mit den nicht tarifgebundenen Beschäftigten?

Gast:
Schwierig. Im Gesetz heißt es, ich zitiere wieder : „Nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer Nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren“. Das klingt wie „hätte, hätte … Fahrradkette“. „Bätschi“ würde Andrea Nahles sagen.



Moderator:
Wenn ich einen neuen Job irgendwo anfange, dann wird mir eine Betriebsrente automatisch übergestülpt, AUSSER ich widerspreche in einer Frist von 1 Monat?

Gast:
So ähnlich , das ist die negativ Option wie bei Zeitschriftenverträgen.

Moderator:
Ist mir eigentlich eine Betriebsrente garantiert, wenn ich schon Beiträge dafür bezahle?

Gast: Fehler Nr 7
Garantieverbot
Fehler oder Vorteil – das sogenannte Garantieverbot lässt das ganze Betriebsrentenstärkungsgesetz zur Makulatur werden. Wer immer auch eine Betriebsrente anbietet, er muss keine Garantie über die Beitragshöhe mehr abgeben.
Das heißt im Umkehrschluss, dass der Versicherte das Risiko selbst trägt.

Moderator:
Kann es über das Garantieverbot dazu kommen, dass ich als Versicherte sogar Geld nachschießen muss? Beispielsweise, wenn sich die Versicherungen bei den Geldanlagen verzockt haben?

Gast:
Davon ist nirgends die Rede. Die Beiträge verfallen nicht.

Im Gesetz heißt das wieder verklausuliert so: „Bei einer reinen Beitragszusage hat der Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung dem Versorgungsempfänger auf der Grundlage des planmäßig zuzurechnenden Versorgungskapitals laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen. Die Höhe der Leistungen darf nicht garantiert werden.“

Moderator:
Und was heißt das?

Gast:
Das heißt, die Versicherer müssen für Betriebsrenten nach dem Sozialpartnermodell keine Deckungsstöcke mit konservativen Anlagevorschriften mehr aufbauen. Deckungsstock klingt etwas sperrig, heißt vereinfacht gesprochen, Sicherungsvermögen. Das ist der Teil des Vermögens eines Versicherungsunternehmens, das nötig ist, um den Kunden, sprich den Versicherten, ihr Geld auch wirklich auszahlen zu können. Das können Staatsanleihen sein, Bares und Immobilien. Das Problem: Staatsanleihen bringen keine Rendite, Bares sowieso nicht.

Damit entfällt aber jedes Argument für eine Betriebsrente. Warum soll ein Beschäftigter einem Versicherer sein Geld geben, wenn er selbst, sprich der Versicherte, das Risiko übernimmt.

Moderator:
Heißt das, der Arbeitnehmer soll sein Geld lieber unters Kopfkissen legen, als in eine Betriebsrente zu stecken?

Gast:
Es muss nicht das Kopfkissen sein!
Er kann sein Geld auch gleich selbst anlegen und spart damit Anfangsprovision, Verwaltungsgebühr und sonstige Kosten. Als Selbstentscheider hat der Versicherte deutlich niedrigere Kosten, denn er muss keine teure Versicherungsadministration mitfinanzieren, die ja auch noch etwas am Versicherten verdienen will. Mit dem Garantieverbot hat Nahles die Betriebsrente ad absurdum geführt. Wahrscheinlich ist ihr das aber nicht bewusst –wie auch, Nahles ist seit 1988 in der SPD, sie ist Literaturwissenschaftlerin (neuere und ältere Germanistik) und hat darüber hinaus Politikwissenschaften studiert. In diesem Geist ist auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz verfasst.
Wie soll sie wissen, dass Gebühren Rendite kosten – je höher die Gebühren, desto geringer die Rendite. Das lernt jeder Betriebswirtschaftsstudent im ersten Semester.

Moderator: (Zusammenfassung)
Oder es war volle Absicht? Wer kann schon in die Köpfe von Politikern reinschauen?
Jeder der irgendwas kauft, sei es Aktien, Immobilien, oder sonst was, sollte wissen, dass man nirgends was geschenkt bekommt. Man zahlt überall Gebühren und man braucht sich nur Prachtbauten von Versicherungen anschauen, dann ahnt man, was mit dem Geld passiert, das man als Kunde zahlt. Sowas könnte sogar auch eine Literatin auf dem Schirm haben können.

Nach der Pause erzählt uns Helmut Achatz .was an Verwaltungskosten bei Betriebsrentenstärkungsgesetz anfallen.

LORA-Sendekennung

Moderator:
Herzlich willkommen zurück bei Arbeitswelt im Wandel, heute mit dem Thema: Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist. Mein Studiogast ist der Betriebswirt Helmut Achatz, der sich intensiv mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz befasst hat. Wir haben bereits 7 Fehler in diesem Gesetz analysiert, die Vermutung, dass eine Betriebsrente nach diesem Gesetz nicht besonders lukrativ ist, liegt bereits jetzt nahe. Es gibt aber noch weitere Kritikpunkte. Noch sind wir mit der Analyse gar nicht fertig.
Wie sieht es mit den Verwaltergebühren aus?


Gast: Fehler Nr. 8
Verwaltungskosten
Bei einer staatlich geförderten Zusatzrente darf es nicht sein, dass die eigentlichen Gewinner Versicherungsunternehmen sind. Wenn der Staat das Rentenniveau senkt, muss er auch für einen Ausgleich sorgen. Wie das funktioniert, zeigt unser nördlicher Nachbar Schweden. Schweden hat eine effiziente Form kapitalgedeckter Altersvorsorge als Ergänzung zur staatlichen Rente aufgebaut. Schwedische Arbeitnehmer legen 2,5 Prozent ihres Lohns jeden Monat zur Seite. Der Clou dabei, die schwedischen Altersvorsorger können wählen, in welchen der rund 800 Fonds im System sie einzahlen. Wer damit überfordert sein sollte, zahlt in den staatlich verwalteten Fonds ein. Dieser staatlich verwaltete Fonds AP7 Såfa hat seit 2000 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 6,5 Prozent pro Jahr erwirtschaftet, trotz zwei Börsencrashs. Die Kosten belaufen sich pro Jahr nur auf 0,13 Prozent für den Aktienfonds und auf 0,05 Prozent für den Rentenfonds. Obwohl das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die verschiedenen Altersvorsorgesysteme in anderen europäischen Ländern untersucht hat, darunter auch das schwedische Modell, geht sie in ihrem Betriebsrentenstärkungsgesetz mit keinem Wort darauf ein. Wer nach „Schweden“ sucht, bekommt keine Treffer. Das heißt, Nahles wirft die Altersvorsorge den Versicherern zum Fraß vor. Denn, von Renditen und Kosten wie in Schweden können deutsche Betriebsrentner nur träumen. Kapitallebensversicherungen und Investmentfonds kassieren weit mehr als die 0,13 Prozent. Das schwedische Modell ist bezogen auf Rendite und Risiko deutlich effizienter als die deutsche Altersvorsorge-Flickschusterei.



Moderator:
Aber irgend was bleibt doch übrig von einer Betriebsrente. So schlecht kann das alles doch gar nicht sein. Es bekommt ja nicht jede oder jeder Grundsicherung!

Gast: Fehler 9
Das ist optimistisch! Man betrachte die Gesetzliche Rente
Wer Geld in die betriebliche Altersvorsorge einzahlt, reduziert damit automatisch seine gesetzliche Rente. Nicht nur das, auch alle anderen Sozialleistungen bemessen sich am Bruttogehalt – ist das geringer, fallen nicht nur die gesetzliche Rente geringer aus, sondern auch Arbeitslosengeld, Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und Altersrente. „Finanztip“ hat die Probleme mit der Entgeltumwandlung sehr ausführlich dargestellt. Es lohnt sich, das Kapital zu lesen. Übrigens, wer eigenverantwortlich per Entgeltumwandlung fürs Alter vorsorgt, reduziert damit nicht nur die eigene gesetzliche Rente, sondern auch das Beitragsaufommen der Deutschen Rentenversicherung insgesamt und damit die gesetzliche Rente aller. „Dadurch verschärft sich das gesamtgesellschaftliche Problem der Rentenarmut“, wie Norbert Schönert trefflich bemerkt. Denn die Rentenversicherung und auch die anderen Zweige der Sozialversicherung verlieren natürlich Einnahme aufgrund der beitragsfreien Umwandlung der Gehälter von Millionen Arbeitnehmern.

Moderator:
Wie? Wenn viele Betriebsrenten abschließen, dann verringert sich die Rente für alle?

Gast:
Richtig!

Moderator:
Heißt das, eine Betriebsrente rentiert sich nur für Spitzenverdiener, die weit über der Beitragsbemessungsgrenze liegen?


Gast:
Kann schon sein!



Moderator:
Wir waren jetzt die ganze Zeit bei Fällen, die lebenslang bei der selben Firma arbeiten. Was aber passiert, wenn eine Arbeitnehmer*In den Arbeitgeber wechselt oder das Unternehmen pleite geht?


Gast:
Job-Wechsel?
Im Gesetz zum Stellenwechsel steht beispielsweise überhaupt nichts. Für den Insolvenzfall gibt es den Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) – da muss sich der Arbeitnehmer aber dahinterklemmen und um seine Ansprüche kämpfen.
Was ist bei einem Jobwechsel?
Ob jemand seinen Vertrag mitnehmen kann, hängt von der Art des Vertrags ab. Wer eine Direktzusage oder einen Vertrag über die Unterstützungskassen hat, ist gekniffen: Leider ist es so, dass es viele Formen der betrieblichen Altersvorsorge gibt, manchmal kann der Vertrag, den jemand beim alten Arbeitgeber abgeschlossen hat bei einem Wechsel nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgeber weitergeführt werden, weil der mit einem anderen Versicherer zusammenarbeitet. So lange es da keine Vereinheitlichung gibt, bleibt das Murks.

Moderator:
Aber die Zeiten, wo jemand 30, 40 Jahre lang beim selben Unternehmen bleibt, die sind doch vorbei. Das muss doch sogar eine Andrea Nahles mitbekommen haben!

Gast:
Wenn sie es mitbekommen hat, dann hat sie es auf jeden Fall nicht in ihrem Gesetz berücksichtigt.

Moderator:
Nach all den negativen Punkten traue ich mich nun kaum nach der Rendite zu fragen. Wie sieht es denn mit der Rendite aus?

Gast: Null-Rendite
Welche Rendite? Ganz schlecht. „Vor allem jüngere Arbeitnehmer sollten gut aufpassen“, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern. „Wenn sich der Arbeitgeber nicht mit einem nennenswerten Beitragszuschuss einbringt, drohen deutliche Einbußen“, so der Altersvorsorgeexperte Merten Larisch. Je nach Alter sollte der Arbeitgeberanteil der Verbraucherzentrale Bayern zufolge wenigstens 40 Prozent betragen. „So können auch spezifische Nachteile der betrieblich geförderten Vorsorgevariante aufgehoben werden“.
„Finanztip“ geht sogar noch einen Schritt weiter und rechnet das anhand eines Beispiels vor: „Im stark vereinfachten Basisfall, dass sich die Beiträge zur bAV nicht verzinsen, zahlt der Durchschnittsverdiener über 30 Jahre jeden Monat netto 100 Euro in den Vertrag und bekommt nur 82 Euro garantierte Nettorente heraus. Er müsste nach Renteneintritt mit 67 noch rund 37 Jahre leben, also 104 Jahre alt werden, damit er sein Geld wiederbekommt.
Fazit: Das lohnt sich auf keinen Fall! Angenommen, die bAV-Beiträge verzinsen sich mit zwei Prozent pro Jahr über 30 Jahre. Dann sieht die Sache etwas besser aus. StaG 82 Euro kann sich der Arbeitnehmer für 100 Euro monatlicher Einzahlung jetzt über eine garantierte NeGorente von 127 Euro pro Monat freuen. Damit er sein eingezahltes Geld wiederbekommt, müsste er noch 24 Jahre Rente beziehen – also 91 Jahre alt werden.
Fazit: „Das lohnt sich wahrscheinlich für die meisten Betriebsrentner immer noch nicht.“ Denn, das Problem, die Ersparnis heute, die Lasten im Alter nicht ausgleichen kann, hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz eben nicht behoben.

So viel Rente bringt die Entgeltumwandlung¹
Das ist natürlich eine Vereinfachung: Nach 30 Jahren hätte unser Fall 30 Rentenpunkte gesammelt, was eine gesetzliche Bruttorente von 900 Euro ergäbe. Von der Brutto-Betriebsrente bleiben nach Abzug aller Kosten und Abgaben nur noch 82 Euro netto übrig unter der Annahme, dass sich die 30 Jahre lang eingezahlten Beiträge nicht verzinsen. Aus 100 Euro sind 82 Euro geworden. Der betriebliche Altersvorsorger müsste schon ein Methusalem-Alter erreichen, um nur das eingezahlte Geld wieder herauszuholen. Übrigens, die Nullverzinsung ist gar nicht so abwegig, denn der gegenwärtige Garantiezinses (Höchstrechnungszins) liegt bei 0,9 Prozent. Wobei 0,9 Prozent nicht auf die Einzahlungen berechnet werden, sondern darauf, was von den Prämien abzüglich der Kosten (Abschlussprovision, Vertriebsaufwand, Verwaltung, Todesfallschutz) übrigbleibt – und das sind meist nur 70 Prozent. Damit reduziert sich der effektive Garantiezins noch einmal. Er kommt damit der „0“ ziemlich nahe. Aber selbst bei Minimal-Verzinsung von zwei Prozent müsste der Betriebsrentner 91 Jahre alt werden. Dumm nur, dass Männer im Westen nur eine Lebenserwartung von 78 Jahren haben. Das heißt, die bAV lohnt sich für die meisten Männer überhaupt nicht.

Moderator:
Was passiert denn mit der Betriebsrente, wenn man stirbt. Kann das eingezahlte Geld vererbt werden?

Gast:
Die Doppelverbeitragung der Direktversicherungen wird vererbt, der Ehepartner muss zahlen, bis die 10 Jahre voll sind


Moderator: (Zusammenfassung)
Düstere Aussichten. Wenn ich ein Arbeitsleben lang in eine Betriebsrente einzahle, dann müsste ich, je nach Betrachtung zwischen 91 und 104 Jahre alt werden, um mein eingezahltes Geld wieder heraus zu bekommen. Da die meisten Betriebs-rentner Männer sind und deren derzeitige Lebenserwartung bei 78 Jahren liegt, scheint sich eine betriebliche Altersversorgung kaum zu lohnen.


nach der Pause erzählt uns Helmut Achatz welche Alternativen es gibt.

LORA-Sendekennung

Moderator:
Wir kommen schon zum letzten Teil von Arbeitswelt im Wandel mit der Sendung Warum das Betriebsrentenstärkungsgesetz Murks ist. Mein Studiogast ist Helmut Achatz. Wir haben jetzt ziemlich ernüchternde Rechnungen gehört, was an Betriebs-renten rauskommt, so man sie denn erlebt. Es scheint so, dass man bei normaler Lebenserwartung sein eingezahltes Geld gar nicht heraus bekommt. Man muss ganz schön lange leben, um die Einzahlungen überhaupt raus zu bekommen. Was ist denn nun das Fazit des Betriebsrentenstärkungsgesetzes?

Gast:
Das Gesetz ist schlichtweg zu kompliziert. Das sagen selbst wohlmeinende Verbände

Kommentare
07.09.2018 / 18:29 Kai J., Radio T
Gesendet am 08.09.18 um 17 Uhr im Radio T Chemnitz UKW 102,70 MHz
Vielen Dank!