Endspurt bei Insekten-Ausrottung | 85 bis 97 Prozent Rückgang

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Die multiple Selbstvernichtung der Menschheit nähert sich immer schneller dem finalen Ziel. Der Genozid per Klimakatastrophe ist anscheinend zu langwierig. Mit der Ausrottung der Insekten per industrieller Landwirtschaft ist die Selbstvernichtung schon in wenigen Jahren zu erreichen. Die Zerstörung ganzer Ökosysteme und damit der Nahrungsgrundlage der Menschheit ist mit der Ausrottung der Insekten jetzt nahezu vollendet.
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Upload vom 11.11.2020 / 08:54

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 00.00.0000
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Endspurt bei Insekten-Ausrottung | 85 bis 97 Prozent Rückgang

Die multiple Selbstvernichtung der Menschheit nähert sich immer schneller dem finalen Ziel. Der Genozid per Klimakatastrophe ist anscheinend zu langwierig. Mit der Ausrottung der Insekten per industrieller Landwirtschaft ist die Selbstvernichtung schon in wenigen Jahren zu erreichen. Die Zerstörung ganzer Ökosysteme und damit der Nahrungsgrundlage der Menschheit ist mit der Ausrottung der Insekten jetzt nahezu vollendet.

Mit der 'Krefelder Studie' wurde schon 2013 von ehrenamtlichen, unbezahlten ForscherInnen nachgewiesen, daß die Insektenpopulation in den untersuchten Gebieten innerhalb von 24 Jahren um über 77 Prozent zurückgegangen war. Hierüber wurde im Jahr 2017 im Wissenschafts-Magazin Science berichtet. Seitdem werden die alarmierenden Befunde auch in universitären Fachkreisen nicht mehr ignoriert. Nun veröffentlichten ForscherInnen eine weitere wissenschaftliche Untersuchung: Innerhalb des Untersuchungszeitraums von fünfzig Jahren ging im Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb der Bestand an Insekten um 84 bis 97 Prozent zurück.

1969, vor 51 Jahren, gründete der Förster Wulf Gatter eine private, nicht staatlich geförderte Forschungsstation zur Vogelbeobachtung im Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb. Akribisch untersuchten die WissenschaftlerInnen dort auch die Insekten. Über 600 MitarbeiterInnen aus Deutschland und Europa beteiligten sich in den vergangenen 50 Jahren im Rahmen von jährlich rund 100 Tage dauernden Arbeits- und Forschungsprogrammen an der wissenschaftlichen Studie. Es handelt sich um die bei weitem datenintensivste Langzeit-Untersuchung von Insektenpopulationen in Deutschland. Die nun veröffentlichen Ergebnisse werden für die Beurteilung der voranschreitenden Artenvernichtung Maßstäbe setzen. Nicht mehr zu leugnen ist inzwischen, daß die industrielle Landwirtschaft, Pestizide, Überdüngung und die Versiegelung, also der Flächenverbrauch durch neue Siedlungen, neue Gewerbegebiete und Straßen die Mittel sind, mit denen die Menschheit das Leben auf diesem Planeten zerstört. Es ist müßig über die Vernichtung des Regenwaldes im Amazonasgebiet zu klagen, wenn die Arten-Vernichtung vor der eigenen Haustür nicht minder rasant vorangetrieben wird.

Die WissenschaftlerInnen konnten im Randecker Maar Anfang der 1970er-Jahre noch Minutenzählungen der Insekten vornehmen. Schon damals zeigte sich ein extremer Rückgang der Zahlen. Ende Juli bis Anfang August 1972 registrierten die ForscherInnen noch 10.000 Schwebfliegen pro Stunde - 2017 sind es nur 290. Ein Rückgang um 97 Prozent. Lars Krogmann, Leiter des Stuttgarter Naturkundemuseums, bezeichnet diese Zahlen als "dramatisch". Er warnt: "Je mehr Arten verschwinden, desto mehr gerät das Ökosystem aus den Fugen." Die heute nahezu ausgerotteten Fliegen-Arten sind für die Bestäubung von Pflanzen - und damit für das Hervorbringen von Früchten - nahezu ebenso wichtig wie Bienen. Und in Anlehnung an eine bekannte Aussage Albert Einsteins erläutert Krogmann: "Wenn die Insekten weg sind, dann ist alles weg. Insekten sind die Voraussetzung für unser Leben."

Aus der Ökologie ist bekannt, daß ein solcher Rückgang unvermeidlich Auswirkungen auf viele andere Arten hat. So ernähren sich die Larven der Schwebfliegen von Blattläusen und kleinen Insekten. Gemessen wurde auch der Rückgang von Waffenfliegen und Schlupfwespen: 84 Prozent in 35 Jahren. Hinzu kommt ein starker Rückgang der Marienkäfer-Population. Auch verschiedene Laufkäferarten und Kurzflügelkäfer sind demnach in dem 1990 ausgewiesenen Naturschutzgebiet mit einer Fläche von 110 Hektar wesentlich seltener anzutreffen.

Die InitiatorInnen des baden-württembergischen Volksbegehrens Artenschutz - häufig verkürzt als Volksbegehren "Rettet die Bienen" bezeichnet - wurden von der Regierung des pseudo-grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann 2019 über den Runden Tisch gezogen. Dringend nötige Einschränkungen des Pestizid-Einsatzes wurden im Interesse der industriellen Landwirtschaft auf die lange Bank geschoben. So wurde nun 22. Juli 2020 mit viel Hurra der Mainstream-Medien ein Gesetz erlassen (2021 soll es in Kraft treten), das lediglich bis 2030 einen Rückgang bei den Pestiziden um 40 bis 50 Prozent verspricht - ohne konkrete Maßnahmen. Die Öko-Landwirtschaft soll bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgebaut werden. Auch hier: Ein leeres Versprechen wie der im Jahr 2011 für 2020 versprochene Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg, der noch hinter dem der anderen Bundesländer zurückblieb.

Eine Sprecherin des baden-württembergischen Landwirtschafts­ministeriums behauptete jetzt dennoch, die grün-schwarze Landesregierung habe mit dem "Biodiversitäts-Stärkungsgesetz" wichtige Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt beschlossen. Vorbeugend erklärte sie aber schon einmal: "Man kann beim Artenschutz den Schalter aber nicht von einem auf den anderen Tag umlegen."

Es wird also voraussichtlich bei einer Politik der Versprechungen bleiben. Und auch in den kommenden Jahren wird dann zu beobachten sein, daß die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ungebremst fortschreitet. In den vergangenen neun Jahren bestätigte sich leider eine Erkenntnis, die schon vor 2000 Jahren bekannt war: Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sind sie zu messen.

Vor 13 Jahre, 2007, zitierte Walter Haefeker, Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes und im Vorstand des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes, Albert Einstein: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr - keine Bestäubung mehr - keine Pflanzen mehr - keine Tiere mehr - keine Menschen mehr."

Kommentare
11.11.2020 / 14:27 corax_ta, Radio Corax, Halle
Danke
gekürzt gesendet im MiMa
 
11.11.2020 / 18:37 Magazin, coloRadio, Dresden
coloradio dresden
Danke
 
11.11.2020 / 22:23 Konrad, Radio Dreyeckland, Freiburg
gemerkt für mora
8:30 Uhr 12.11.2020 Do