Groß-Demo bei Lützerath | Wiederbesetzung knapp gescheitert

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Zu der vom BUND, von attac und etlichen weiteren Organisationen für Samstag, 14. Januar, organisierten Groß-Demo kamen laut VeranstalterInnen rund 35.000 Menschen - nach Polizei-Angaben sollen es immerhin 15.000 gewesen sein. Dabei hatte die Polizei noch vor wenigen Tagen verkündet, sie rechne nur mit 9.000 TeilnehmerInnen. Beim Versuch, das Areal des während dieser Woche von der Polizei weitgehend mit brutaler Gewalt geräumten Dorfs Lützerath wiederzubesetzen, konnte eine erste Polizeikette fast ohne Gegenwehr durchbrochen werden. Der Versuch scheiterte dennoch. Offensichtlich ist, daß die Demo eine Woche früher hätte stattfinden müssen.
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Upload vom 15.01.2023 / 14:45

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 14.01.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Groß-Demo bei Lützerath
Wiederbesetzung knapp gescheitert

Zu der vom BUND, von attac und etlichen weiteren Organisationen für Samstag, 14. Januar, organisierten Groß-Demo kamen laut VeranstalterInnen rund 35.000 Menschen - nach Polizei-Angaben sollen es immerhin 15.000 gewesen sein. Dabei hatte die Polizei noch vor wenigen Tagen verkündet, sie rechne nur mit 9.000 TeilnehmerInnen. Beim Versuch, das Areal des während dieser Woche von der Polizei weitgehend mit brutaler Gewalt geräumten Dorfs Lützerath wiederzubesetzen, konnte eine erste Polizeikette fast ohne Gegenwehr durchbrochen werden. Der Versuch scheiterte dennoch. Offensichtlich ist, daß die Demo eine Woche früher hätte stattfinden müssen.

In Lützeraths Nachbarort Keyenberg hatte Mittags die Demo unter dem Motto "Räumung verhindern! Für Klimagerechtigkeit" mit einer reichlich ausufernden Auftakt-Kundgebung begonnen. Es sprach unter anderen die Initiatorin von 'Fridays for Future', Greta Thunberg. Nachdem 'Fridays for Future' etliche Jahre das Schwergewicht auf Appelle an "die Politik" gelegt hatte und gewaltfreie Aktionen wie jene von 'Ende Gelände' und 'Letzte Generation' allenfalls verbal unterstützte, haben sich die Illusionen, irgend eine Partei werde sich für Klimaschutz einsetzen, mittlerweile in Luft aufgelöst. Greta Thunberg kritisierte in ihrer Rede explizit die pseudo-grüne Partei: Daß diese mit dem Braunkohle-Konzern RWE Kompromisse schließe, zeige, wo deren Prioritäten lägen. Dabei ist es zumindest fraglich, ob es sich überhaupt um einen Kompromiss handelt, wenn leere Versprechungen für das Jahr 2030 als Kompensation für den realen ungebremsten Braunkohle-Tagebau verkündet werden.

Greta Thunberg verglich die quadratkilometer-große Mondlandschaft, die RWE infolge des Braunkohle-Tagebaus anrichtet, mit Mordor. In J.R.R. Tolkiens Roman "Herr der Ringe" ist Mordor das wüstenähnliche Reich Saurons. "Das zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen. Solange die Kohle noch in der Erde ist, ist dieser Kampf ni cht zu Ende."

Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach - bezeichnender Weise mit einem Parteibuch in derselben Farbe wie jenes von Wirtschaftsminister Robert Habeck ausgestattet - warnte bereits im Vorfeld vor der angekündigten Wiederbesetzung: "Das werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern. Ich kann nur hoffen, daß es dazu nicht kommt, denn sonst werden wir sehr unschöne Bilder haben."

Auch am Samstag ging in Lützerath die am Mittwoch begonnene Räumung unvermindert weiter. Offenbar hat die Polizei erhebliche Probleme damit, in einem Tunnel verankerte AktivistInnen herauszuholen. Bei der Räumung von Baumhäusern und des bekannten Bauernhofs von Eckardt Heukamp wurden bereits zuvor etliche Menschen verletzt. Eckardt Heukamp hatte sich mit allen juristischen Mitteln vor Gericht gegen die Zwangsenteignung gewehrt. Doch auch vor Gericht zählt Klimaschutz wenig - außer in einem wolkigen, aber folgenlosen Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Bei der Räumung von Lützerath wurde zudem die Pressefreiheit massiv verletzt. Die Polizei, die sich bezeichnender Weise auf ein "Prokura" des RWE-Konzerns berief, verwehrte JournalistInnen unter fadenscheinigen Vorwänden den Zugang. Kamera-Teams mit schwerem Gerät verbot die Polizei das Betreten der Straße und verwies sie "freundlich" darauf, sie könnten ja durch den knöcheltiefen Schlamm waten. RWE versuchte eine "Akkreditierung" von JournalistInnen durchzusetzen und diese dabei zu einer lächerlichen Unterschrift unter einen vorgegebenen Text zu nötigen, in dem von "Haftungsausschluß" die Rede war. Jörg Reichelt, Landesgeschäftsführer Berlin-Brandenburg der Deutschen JournalistInnen-Union (DJU), weist darauf hin, daß die Arbeit von JournalistInnen juristisch seit vielen Jahren genau geregelt ist und daher eine solche "Akkreditierung" jeglicher Grundlage entbehre. Er zog am Abend eine "negative Bilanz": Eine lange Liste von Verletzungen durch die Polizei, körperliche Angriffe auf JournalistInnen, Behinderungen, Schikanen und Beleidigungen von Seiten der Polizei und der RWE-Security.

Die Polizei setzte gegen die DemonstrantInnen, die beim Versuch einer Wiederbesetzung Lützeraths eine erste Polizeikette durchbrochen hatte, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein. Ein Polizeisprecher sagte, man müsse "unmittelbaren Zwang" anwenden, um die DemonstrantInnen daran zu hindern, nach Lützerath vorzudringen. Lange Zeit waren Wasserwerfer im Rücken der Polizei drohend auf und ab gefahren. Gegen 16 Uhr kam es dann zum ersten Einsatz. Das Wasser aus den Rohren landete aufgrund des starken Windes allerdings weit überwiegend auf den eigenen BeamtInnen statt auf den DemonstrantInnen.

Nach Angaben der Polizei attackierten einzelne DemonstrantInnen auch Einsatzwagen der Polizei und warfen Pyrotechnik in Richtung der BeamtInnen. Ein Polizei-Sprecher behauptete, Reifen seien zerstochen und Außenspiegel abgetreten worden.

Das lokale Bündnis 'Alle Dörfer bleiben' und 'Fridays for Future' kritisieren die mangelhafte Kommunikation von Seiten und innerhalb der Polizei scharf. Absprachen würden gebrochen und Menschenleben gefährdet. "Es wirkt, als solle die Räumung um jeden Preis und so schnell wie möglich durchgesetzt werden. Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, verstößt die Polizei immer wieder gegen vereinbarte Absprachen, setzt sich über geltende Sicherheitsregeln hinweg und gefährdet massiv Menschenleben. Wenn das so weiter geht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es Schwerverletzte oder Tote gibt", so David Dresen, Pressesprecher der lokalen Bürgerinitiative 'Alle Dörfer bleiben' aus dem Nachbarort Kuckum. "Wir appellieren in aller Dringlichkeit an Innenminister Herbert Reul, den Einsatz sofort zu unterbrechen, um für eine Deeskalation der Polizei zu sorgen. Recht und Gesetz gelten insbesondere für Vertreter des sogenannten Rechtsstaats."

Jens Sannig, Anwohner und zugleich Superintendent des Kirchenkreises Jülich als auch Mitglied der Klima-Allianz Deutschland, sagte: "Seit über 30 Jahren kämpfen wir gegen die Umsiedlung. Ich habe gedacht, man sei bereits weiter. Die Kohle, so sind sich alle Anwohnerinnen und Anwohner einig, ist von niemandem gewollt, außer von RWE."

Demgegenüber verbreitet Thomas Fricker, Chef-Redakteur des Freiburger Monopol-Blattes 'Badische Zeitung' die Propaganda: "In Lützerath sucht eine kleine Minderheit die Mehrheit zu erpressen." Anscheinend betrachtet er die wenigen tausend Menschen, die an der Spitze von RWE stehen und politisch im Dienste des Konzerns agieren - wie Robert Habeck und Olaf Scholz - als Mehrheit. Die reale Mehrheit der Deutschen jedoch - ungeachtet, ob sie sich gegen den Braunkohle-Abbau zur Wehr setzen oder ob sie diesen tatenlos hinnehmen - sind gegen die Zerstörung unseres Planeten. Diese Mehrheit hat keinerlei Druckmittel in den Händen, um einen Konzern wie RWE zu "erpressen".