Crip Time: Ein Konzept, das Zeit anders denkt.

ID 130637
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In unserer Anti-Ableismus Reihe
wolllen wir regelmäßig Bezeichnungen oder Fachwörter transportieren und Hintergründe erklären bzw. diskutieren.. z.B. Heute, in der 1. Folge, geht es um Ableismus. Eine Definition in leichter und in schwerer Sprache. Danach "Crip Time"... Das bedeutet Zeit anders zu denken und die Erfahrungen behinderter, chronisch Kranker und neurodivergenter Menschen Zeit einzubeziehen. Eine aktuelle Debatte aus der Disability/Crip Community.(Community von Menschen mit Behinderung/Chronischen Krankheiten/Neurodivergenz) Ein Interview dazu.

(Fast) Jedes Mal wollen wir euch auch einen Satz vorstellen, der diskriminierungssensibel ist und das Leben etwas leichter machen kann. VON einer Person mit Behinderung.

In leinfacher Sprache:
Wir wollen über Behinderung und Ableismus sprechen.
Ableismus bedeutet, dass Menschen mit Behinderung benachteiligt werden.
Wir möchten ein Wörterbuch machen, das gegen Ableismus ist. Wir erklären dabei neue Wörter und Begriffe.
Heute sprechen wir noch einmal über das Wort Ableismus. Was es bedeutet erklären wir in einfacher und in schwerer Sprache.

Danach sprechen wir über Crip Time.
Crip Time bedeutet: Man denkt anders über Zeit. Man braucht für Vieles mehr Zeit. Nicht behinderte Menschen kennen das so nicht.
Wir erzählen von Erfahrungen von Menschen, die behindert sind oder krank sind oder anders denken.
Wir erzählen, wie sie Raum und Zeit erleben. Wir finden das ein wichtiges Thema .
Wir fragen eine Person mit Behinderung dazu.

Jedes Mal stellen wir euch auch einen besonderen Satz vor.
Der Satz kommt von einer Person mit Behinderung.
Er soll das Leben etwas leichter machen.
s.g. und max


Quellen für die Definitionen von Ableismus:

BUNDJugend/Broschüre/ Verrücktes Klima - Behnderte Lösungen,

und : Diversity Arts Culture.Berlin
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08:35 min, 8060 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 11.09.2024 / 11:20
Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Barrierefrei, Frauen/Lesben, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: sabine und max
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.09.2024
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
 
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Upload vom 11.09.2024 / 14:36
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der Radiobeitrag in Audio Description als Text.

Es spechen 2 Personen (eine mit und eine ohne Behinderung)
S
in unsere Anti-Ableismus Reihe wollen wir regelmäßig Begriffe, Bezeichnungen und Hintergründe transportieren und erklären Heute geht es um Crip Time.
M
Und wir wollen euch auch die besten Sätze vorstellen, die das Leben leichter machen, nicht nur für Menschen mit Behinderungen, aber Sätze VON Menschen mit Behinderungen.

M: meinst du, wir müssen das noch mal erklären, noch mal was dazu sagen, was Ableismus eigentlich ist? Zur Definition? ,
S: Ja, so bekannt ist der Begriff dann doch immer noch nicht. Vielleicht zuerst mal in leichter Sprache.

M und S lesen abwechselnd die folgenden Sätze;

Okay. Ableismus. Das Wort Ableismus kommt aus dem Englischen. To be able bedeutet etwas können. Ableismus bedeutet, die Gesellschaft teilt können ein. In nützlich oder störend. Nützliches können ist zum Beispiel freundlich lächeln, lange stehen, deutsche Lautsprache sprechen, schwierige Erklärungen verstehen. Störendes Wissen ist zum Beispiel sehr langsam reden, Gefühle mit dem ganzen Körper zeigen, Rollstuhl fahren, den Alltag immer genau planen. Im Ableismus achtet die Gesellschaft nur darauf, was ein Mensch kann. Sie bewertet Menschen nach ihrem Können und behandelt sie darum besser oder schlechter. Im Mittelpunkt steht nur die Behinderung. Dicht der ganze Mensch. Für Menschen mit nützlichem Können ist in der Gesellschaft mitmachen leicht. Aber die Gesellschaft schließt Menschen mit störendem Können aus. In schwerer Sprache würde es heißen, Ableismus ist am Englischen Wort Ableism angelehnter Begriff, der aus der US-amerikanischen Behindertenbewegung stammt. Er beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in dem Menschen an bestimmten Fähigkeiten gemessen und auf ihre Behinderung reduziert werden. So viel zur Definition von Ableismus mal für heute, oder?

S
Wir wollten ja heute eigentlich auch den Begriff Criptime vorstellen.( ein mechanischer Wecker klingelt im Hintergrund , eher leise) Und das wollte ich jetzt eigentlich hier vorführen. Aber es geht nicht so gut.

M
Criptime, Criptime, Criptime. Hä? Was ist denn Criptime?

S
Criptime, ja, sehr interessant finde ich. Criptime, den Begriff gibt es nicht in der deutschen Übersetzung noch nicht. Er wird diskutiert. Es ist auch ein Begriff aus der Behindertenbewegung. Vieles ist ja auf Englisch erstmal und wird dann aber auch durch Diskussionen und durch Zusammentragen in der Disability Community gefüllt. Es gibt gerade eine Debatte um einen deutschsprachigen Begriff. Das mal vielleicht vorweg, dass diese ganzen Begriffe relativ neu sind und die Debatte darum sehr lebendig und die Begriffe werden aktuell eben geformt .Deswegen wollen wir euch ja auch davon erzählen. Ja, genau, deswegen auch dieses Alphabet, was wir jetzt immer wieder machen.
Und Criptime ist ein Konzept, das die Erfahrungen behinderter chronisch kranker und neurodivergenter Menschen mit einbezieht. Und es steht dahinter das Konzept, dass Zeit eine Norm ist und Zeit normiert ist. Und Criptime stellt das in Frage. Also zum Beispiel ist ja der Alltag in unserer Gesellschaft oder das Leben in unserer Gesellschaft völlig in Zeitplanung eingeteilt. Also im Alltag zum Beispiel mit Schule, Arbeit. Bei Prüfung gibt es eine bestimmte Zeit. Bei Reisen oder Fahrten ist eine bestimmte Zeit vorgegeben. Von der ausgegangen wird, die braucht's. Und Zeit ist auch etwas, wo es immer darum geht, das möglichst schnell zu machen und reibungslos. Auch im Leben.Ich finde es interessant, es gibt es ja so Vorstellungen von Zeitnormen. Wann fängt ein Kind an zu sprechen? Oder wann fängt eine Ausbildung an? Und wie lange dauert die?
M
Ich muss jetzt gerade an so einen klassischen Lebenslauf denken.
S
Ja genau, aber es gibt so Vorstellungen, als wären die fest und als wären die nicht eine Konstruktion.
Darum geht es eigentlich. Und wie ist das mit der Familienplanung? Das liegt dann auch sehr nah bei diesen ganzen genormierten Lebensplanungen, was dann so im Vordergrund ist. Und diese Norm von Zeit, wie viel Zeit man für bestimmte Dinge braucht, ist eben immer gemessen an nicht behinderten Menschen und die Lebensrealitäten von anderen Menschen, also Menschen mit Behinderungen, ist überhaupt nicht mitgedacht.
Und dieses Konzept von Criptime stellt diese Zeitnorm in Frage und bricht die auch auf. Und zum Beispiel ist ja einleuchtend, dass wenn du räumliche Barrieren hast und nicht gut in die Straßenbahnen kommen kannst, weil die Straßenbahnen einfach nicht ausgerichtet sind, auf Rollis, dass du mehr Zeit brauchst, dass du für viele Dinge eine andere Zeit einplanen musst, also sowohl bei materiellen Barrieren, aber auch bei Barrieren von Energie oder unsichtbaren Barrieren. Wenn du zum Beispiel immer Bildungsarbeit machen musst und Leuten erklären, wieso jetzt bitte das so sein soll oder wenn du dich von Diskriminerungen erholen musst, die dich verletzen. Das alles also, viel unterschiedliches kann Criptime sein oder auch die Zeiten, die du für Erholung brauchst überhaupt, weil du chronisch krank bist und einfach deine Energie anders funktioniert oder anders ausgerichtet ist.
Das Konzept, es ist gar nicht so am Defizit orientiert, sondern an der Vielfalt, dass es eben Menschen gibt, die anders mit Zeit getaktet sind und auch einfach eine andere Zeit brauchen oder Bedarf haben, an anderer Zeit, weil sie sich auch noch um viele andere Dinge kümmern müssen, die auch länger dauern. Aber eigentlich ist es auch so gedacht, dass Menschen mit Behinderungen die Deutungshoheit über die Zeit wiederkriegen und dass Zeit nicht einheitlich ist, nicht ein einheitliches Konstrukt, sondern dass diese normative Zeit, etwas konstruiertes ist, was künstlich ist und keine unumstößliche Dimension, und da drin, finde ich, liegt ein sehr emanzipatorischer Ansatz.
M
Voll, also der Begriff ist mir auch neu und regt ja auch darüber an nachzudenken, welche Vorstellungen von Zeitdimensionen habe ich eigentlich.
S
Richtig, und das macht diese andere Zeit sichtbar.
M
Weißt du, wie das so im Alltag benutzt wird, der Begriff, sagt dann jemand, das ist jetzt meine Criptime?
S
Er wird gerade sehr diskutiert oder auch gefüllt. Also was gehört alles dazu? Das sind auch gerade aktuell die Debatten. Und ich habe das jetzt hier mal so zusammengetragen, auch meine eigene Erfahrung und Sicht darauf. Ich finde zum Beispiel Diskriminierung, die Verletzung aus Diskriminierung braucht viel Zeit, sich innerlich zu wehren, sich auch de facto zu wehren, sich Strategien zu überlegen und so weiter. Und ja, Aktivismus braucht auch viel Zeit. Ja, es ist eine neue Debatte. Und ich finde das Spannende daran, dass es überhaupt immer wieder um Normen, Normierungen und Konstruktionen geht und eine nach der anderen aufgebrochen wird.
M
Vielen Dank für die Criptime. Hattest du noch mehr?
S
Wir wollen den Satz der Woche noch bringen
M
. Du hast noch einen guten Satz für uns mitgebracht, der helfen kann im Alltag.
S
Also das Anliegen ist einfach-, das geht jetzt an die Menschen mit Nichtbehinderung,,- aber eigentlich auch an alle - es gibt Sätze, die es leichter machen im Leben als behinderte Person und es gibt Sätze, die es schwerer machen.
Und iden Satz, den ich diese Woche gehört habe, der mir unglaublich gut gefällt und den ich möchte, dass ihr den auswendig lernt. Das ist der Satz, zum Beispiel bei Verabredungen oder wenn du zusammen auf Veranstaltungen gehen möchtest. Doppelpunkt der Satz:
was brauchst du für Rahmenbedingungen, um gut da sein zu können?