Beginn Sprechtext/

Langbeinig und in grauem Gewande stakst eine gar nicht so unzierliche Vogelgestalt durch die Bürosteppe. Sie folgt schleichend, immer wieder verharrend, einer schwarzen und ausgesprochen dünnen Schlange durch die dürre raschelnde Faser der Auslegeware.

Es zirpt, knistert und raschelt um sie herum aus vielfältigen Löchern, Höhlen und Nischen, hier summt ein kleines, wohlgeschütztes Ventilatorhuhn seinen Balzgesang aus dem hellgrauen Fels heraus, dort drängt der penetrante Acetongeruch der Stinkdrüse eines Nageliltis ins Freie, nachdem der Hammerkopf ihn zu seiner Nahrung erklärt und mit einem rabiaten "KLOPF!" zubereitet - besser gesagt: pfannkuchenförmig ausgebreitet - hat, und ab und zu läutet auch der Dingdongvogel in der Yuccapalme, was regelmäßig eine ganze Horde kleinerer Adler auf gestählten Handschwingenspitzen sich davonschwingen lässt, der Atzung in der Cafeteria entgegenflatternd.

All dies lässt die Sekretärin nicht mal leicht zucken, geschweige denn innehalten auf ihrer sehr speziellen Beutejagd.

Die Sekretärin bewohnt große, weitläufige Fluren in denen die Neonsonne unbarmherzig 20 Stunden alles Lebendige verstrahlt und die punktuellen Süßwasservorkommen zu schwarzer, ölähnlicher Tinte eindampfen lässt.
Diese einzige Flüssigkeitsquelle hat die Vögel der Bürosteppe sehr hart, ausdauernd und genügsam werden lassen. Und sehr wach. Spielend weichen sie den Heftklammer-Geckos aus, die bei kleinster Beunruhigung wie blöde um sich beissen und dabei doppelspitzige Zähne im vermutlichen Feind verlieren, sie ritzen sich nicht an den messerscharfen Kanten des Vampapiers, das überall in größeren Stößen, Sträußchen, Päckchen und fludderigen, undefinierbaren Gruppierungsformen auf eine, ach, nur eine noch... ungeschützte Ader wartet. Alle Vögel der Bürosteppe sind äußerst agil und beschäftigt mit der Nahrungsbeschaffung, sie verbringen ihre gesamte Wachzeit damit, Blätter umzudrehen, Steinchen in die Schreibmaschine zu spannen, ölige Flüssigkeitsreste durch ihren ledernen und hornhautbewehrten Verdauungstrakt zu bugsieren und sich ihr Brot im Schweisse ihres Angesichtes zu verdienen. Oft genug gehen sie bei dem Full-Time-Job auch leer aus, was für einen Vogel der Bürosteppe heisst:
weniger Kalorien ingestieren als zum Umdrehen der Blättchen und Steinchen aufgewendet wird. Die Bürosteppe ist hart und unbarmherzig zu ihren Geschöpfen.

Aber zurück zu unserer Sekretärin, die schon seit Minuten gebannt verharrt, sie ist erhobenen Schreitfußes vor einem unscheinbaren Löchlein erstarrt, in dem die dünne, schwarze Schlange ihr Ende verborgen hat. Das Ende, welches die Sekretärin sehr interessiert.

Sie weiß, sie muss warten bis das rickreich-trügerische Reptil selbst den genauen Standort seiner angreifbarsten Stelle verrät. Und sie wartet.

Da - die Adler sind längst von der Atzung zurück und beschäftigen sich wieder mit ihrem eigentümlichen Balzritual, das aus der Ferne wie eine Armada mechanischer Schreibmaschinen klingt - da war ein leises Geräusch. Ein Fiepsen. Die Sekretärin heisst mit ihrem erhobenen Bein den gesamten Stapel der Ablagen um und legt in Sekundenbruchteilen den Kopf der Schlange frei bevor die es sich anders überlegen kann! Sie reisst ihn auseinander!

Und brüllt triumphal:

"Firma Safarireisen GmbH und Co KG, Sie sprechen mit Frau Müller, was kann ich für Sie tun?!!!"

/ Ende Sprechtext.

Anmerkung: Die Qualität ist absichtlich so "flach" - schließlich hat unser Undercover-Reporter getarnt als Ablagenstapel live aus dem Großraumbüro berichtet! und das Ganze über ein längst vergessenes 33er Modem hinterm Papierkorb gestreamt...