Vogel der Woche (188): Der Kniebrech

ID 41538
 
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Der Kniebrech, ein Reiher, ist das Sinntier der Moderne. Oder so. Ich sach nur "UMweltwahrnehmunck".
Audio
04:09 min, 3887 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.06.2011 / 10:17

Dateizugriffe: 558

Klassifizierung

tipo: Hörspiel
lingua: deutsch
settore/i di redazione: Politik/Info, Kultur, Umwelt, Sport, Andere
serie: Vogel der Woche
Entstehung

autrici/autori: hike
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
data di produzione: 13.06.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Beginn Sorechtext//

Heute: Der Kniebrech, Ardea patelliphraga.

Der Kniebrech gehört zu den Reihern. Das ist eigentlich logisch, denn ein Vogel der gerne bricht und auffällige Knie hat, der kann eigentlich nur ein Reiher sein.

Nun heisst der Kniebrech aber nicht so, weil er des dauerhaften Regurgitierens übers mittlere Beingelenk frönt, sondern weil er eine weitere reiher-typische Eigenschaft aufweist, und das ist die Absolute Hektik.

Okay, meine ZuhörerInnen werden nun denken: hey hallo, der Vogel der Woche spinnt, jetzt ist die Meise endgültig locker und huscht unterm Pony.

Denn Reiher, das sind doch diese Deckenfluter-mit-Dimmer-ähnlichen Dinger, die bewegungslos auf Kühen reiten oder mit minimalster Lokomotion neu reingesetzte Kois vom OBI ausm Gartenteich picken, von Hektik keine Spur, haben eher was von Stehlampe mit Fischgeruch??

Jahaa, wir reden ja bisher auch von ungestörtem, nicht gescheuchten Reihergetier!

Was meint Ihr aber, liebe ZuhörerErInnen, was passiert, wenn ein solches Gestänge plötzlich - quasi stante pede - in heillose Aufregung versetzt wird?

Lange Federn, langer Schnabel, lange Beine mit auffälligen Knien, lange Hälse - und dies alles zeigt plötzlich an, dass die Umwelt gerade - nach Ansicht des Tiers - über Gebühr deutlich wahrgenommen wird?

Das kann ich euch sagen was dann passiert: der Vogel wird auf eine fast unbeschreibliche Weise hektisch.

Und was hektisch wird, das macht Fehler.

So auch der Kniebrech.

Im Versuch, die Umwelt schleunigst wieder *nicht* wahrzunehmen, versucht der Kniebrech wirklich alles, inklusive dem Reihern über das eigene Knie, und zwar unverhältnismäßig, auf keinen Fall die Wirkung der jeweils getroffenen Einzelmaßnahme abwartend, und das obendrein in einem Affentempo - und alles durcheinander, so wie es ihm grad einfällt.

Er gleicht in seiner Darbietung einem ausser Kontrolle geratenen Zeichentrick-Zirkel, wenn er beispielsweise:
- in einer Sekunde den Schnabel unter die
Schwanzfedern steckt,
- dabei feststellt, dass das eigene Auge noch sichtbar
ist und daher auch noch was sieht, also: die Umwelt
wahrnimmt;
- in der nächsten Sekunde zieht er mit dem linken Fuß
den rechten Flügel vor's Auge
- und in der darauffolgenden Sekunde beginnt er zu
kippen und macht sich beim Versuch, dies durch
kompliziertes Balancieren mit dem Gehirnkasten zu
verhindern, einen üblen Knoten in den Hals.

Dabei zeigt sich der Kniebrech trotz seinem beachtenswerten motorischen Aktionismus ausgesprochen unbeeindruckbar von Lernereignissen; jede Art von Umweltwahrnehmung führt zu den immer gleichen, unangemessen wirkenden Hektik-Aktionen, ergo zu kaum variierten praktischen Erfahrungen mit Schwerkraft, aus denen scheinbar aber rein gar nichts mitgenommen wird ausser einem weiteren Sack Gedankenzement der Marke "Böse Umwelt, ich bin ein Opfer".

Der Kniebrech unterscheidet sich von anderen Reihern lediglich in einer Sache: er braucht das Auge bloß zu öffnen, um sich unversehens in "Umweltwahrnehmung" wiederzufinden.

Und so kobolzt sich der Kniebrech pausenlos selber durch die Gegend, wo andere Reiher wenigstens gelegentlich mal als Stereotyp einer Stehlampe fungieren und auf der Kuh parken oder am heimischen Gartenteiche einen feisten Frischbesatz-Koi aus dem OBI den Schlund runterwabbeln lassen.

Welchen Selektionsvorteil hat das Verhalten des Kniebrechs?

Er wird gefüttert von mitleidigen Menschen, die in ihm das Sinnbild ihrer eigenen Existenz sehen. Allein in der Bundesrepublik Deutschland soll es laut unbestätigten Zahlen des NAHU eine Population von 40 Millionen Kniebrechs geben, Tendenz steigend.

Guten Morgen...

// Ende Sprechtext.

Wer den Kniebrech als Bildchen anschauen will, kann dies hier tun:

http://flugratte.blog.de/2011/06/11/voge...

Kommentare
13.06.2011 / 21:01 MoMa, coloRadio, Dresden
sei gepriesen, oh hike, was hammer gefeiert...
... als dieser vogel in unserem magazin strauchelte! (am 13.6. ab 19.00)
 
15.06.2011 / 12:35 marie,
und auch
im morgigen kaffeesatz.
 
17.06.2011 / 07:48 anja, radiokampagne.de Berlin
im zipFM vom 17.6.11
Danke!