Kerosin-Ablassen - das häufige, aber wenig bekannte Umwelt-Verbrechen

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Am Samstag, 28. Juli dieses Jahres, mußte ein Frachtflugzeug der Firma Cargolux gleich nach dem Start vom Luxembourg Airport seinen Flug nach Singapur abbrechen. In einer Flughöhe von 4.900 Meter ließ der Pilot rund 92 Tonnen hochgiftiges Kerosin ab. ...
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Upload vom 11.12.2018 / 10:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 10.12.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kerosin-Ablassen - das häufige, aber
wenig bekannte Umwelt-Verbrechen

Berlin (LiZ). Am Samstag, 28. Juli dieses Jahres, mußte ein Frachtflugzeug der Firma Cargolux gleich nach dem Start vom Luxembourg Airport seinen Flug nach Singapur abbrechen. In einer Flughöhe von 4.900 Meter ließ der Pilot rund 92 Tonnen hochgiftiges Kerosin ab. Umstritten ist in Hinblick auf solche Fälle, wie viel Kerosin bei einem solchen "Dumping" verdunstet und viel in flüssigem Zustand zu Boden geht.

Der Pilot konnte die Boeing 747-8R7(F) Cargolux am 28. Juli sicher wieder auf dem Luxembourg Airport landen. Anlaß für das "Fuel Dumping" war ein Problem mit dem Fahrwerk, das anscheinend klemmte und während der Flugs nicht eingefahren werden konnte. Ein Grund für das Ablassen von Kerosin ist dies jedoch nicht. Auch voll beladene Flugzeuge können sicher landen, verursachen hierbei jedoch überdurchschnittliche Wartungskosten. Diese Kosten und damit Profitgier sind der also Grund. Nebensächlich ist in diesem Zusammenhang das häufig reklamierte, aber nur geringfügig erhöhte Risiko bei der Landung.

Der Pilot gab am 28. Juli 2018 selbst die Menge von 92 Tonnen Kerosin gegenüber der Deutschen Flugsicherung (DFS) an - wie diese öffentlich bestätigte. Laut DFS war Rheinland-Pfalz im Jahr 2017 in 9 Fällen der Tatort solchen Kerosin-Ablassens. Aufgrund der Nähe zum Flughafen Frankfurt wird über der Region besonders häufig Kerosin abgelassen. Kerosin - eine spezielle Petroleum-Mischung - enthält in erheblichem Umfang Benzol und dieses ist nachweislich krebserregend. Hinzu kommen giftige Additive, die dem Flugbenzin standardmäßig beigemixt werden.

"Der Unmut in der Region wird immer größer," sagte Ulla Kern von der Initiative 'Pro Pfälzerwald'. In dem Maße wie der Flugverkehr zunimmt, nehme auch die Menge abgelassenen Kerosins zu. Auch in Bayern, dem zweithäufigsten Tatort beim Kerosin-Ablassen wird dieses Umwelt-Verbrechen in der Bevölkerung immer mehr bekannt. Doch die bayerische Staatsregierung unter Host Seehofer und Markus Söder beruft sich auf Unkenntnis: Ihr sei keine Gefahr für den Menschen bekannt. Auch die deutsche Bundesregierung wiegelt ab und gab lediglich eine Auflistung der erfassten Mengen an Kerosin preis, die über Deutschland in den Jahren 2010 bis 2016 abgelassen wurden: Daraus ergibt sich eine Gesamtmenge von rund 3.590 Tonnen Kerosin, die in diesen Jahren in insgesamt 121 offiziell registrierten Fällen abgelassen wurden - durchschnittlich also in 20 Fällen pro Jahr.

Offenbar gibt es seit 1989 keine aktuellen Untersuchungen über die Giftigkeit von Kerosin. Dies zeigt wieder einmal, daß von den heute durch die "Drittmittel"-Strategie kommerzialisierten universitären Wissenschaften häufig nur noch das erforscht wird, was in der Anwendung Profit verspricht.

Die Flugzeug-Produzenten Airbus und Boeing bestätigen in internen Schreiben selbst, daß ihre Flugzeuge auch mit Übergewicht - standardmäßig ist das Landegewicht geringer als das Startgewicht - sicher landen können. Das "Problem" sei aber - so die Produzenten - daß Landungen mit Übergewicht langwierige Wartungsarbeiten nach sich ziehen. Diese wiederum verursachen Kosten, die über jenen des abgelassenen Kerosins liegen.

Wenn Kerosin nicht so billig wäre, würde dies schon ganz anders aussehen. Doch im Gegensatz zu allen anderen fossilen Brennstoffen wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Gas läßt der deutsche Staat Flugunternehmen wie Lufthansa ohne Kerosin-Steuer entfleuchen. Dabei ist Fliegen nach wie vor die mit Abstand umweltschädlichste Fortbewegungsart. Bei Bahn-Reisen im Fernverkehr werden nur 14 Gramm CO<sub>&#8322;</sub>-Äquivalent pro Personenkilometer freigesetzt, während es im Flugverkehr 327 Gramm sind:
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<img src="verkehsmittel_vgl_klimagas-emissionen_2015.png" alt="Verkehrmittel im Vergleich der Klimagas-Emissionen - Grafik: NR - CC-BY-SA 3.0" height="350" width="520">
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Und entgegen der Fama, wonach bei einer Kerosin-Steuer alle europäischen, nein, alle 195 Staaten dieses Planeten mitmachen müßten, wird in den Niederlanden eine Kerosin-Steuer erhoben. Jedes Jahr verschenkt der deutsche Bundesfinanzminister rund 400 Millionen Euro, die eine entsprechende Kerosin-Steuer erbringen würde. Und dies, wenn nur die inländischen Flüge besteuert würden. Bei dieser indirekten Subvention des Luftverkehrs handelt es sich um eine der 20 größten Steuervergünstigungen des Bundes überhaupt.

Seit Jahrzehnten wird in Deutschland über die Einführung einer Kerosin-Steuer debattiert, doch geschehen ist nichts. Grenzüberschreitende Flüge werden außerdem noch damit subventioniert, daß Kerosin in diesem Fall von der Mehrwertsteuer befreit ist. Rund 150 Millionen Euro im Jahr fließen an direkten Subventionen für die Fliegerei in Form von Zuschüssen allein für die Flughäfen und die Flugsicherung. Insgesamt läßt sich der deutsche Finanzminister so über eine Milliarde Euro pro Jahr entgehen.

Daß dies so ist und auf absehbare Zeit so bleiben wird, liegt in Deutschland nicht nur an der rührigen Lobby von Flugzeug-Produzenten, Airlines und Flughafen-Betreibern. Partei-PolitikerInnen sämtlicher Couleur wurden in den vergangenen Jahren beim Thema Kerosin-Steuer immer schweigsamer. Sie fürchten nicht etwa die lärmgeplagte Bevölkerung um Großflughäfen wie Frankfurt oder München, sondern die WählerInnen-Klientel der "Besserverdienenden" - besonders sensibel ist hier die pseudo-grüne Partei geworden. Denn nicht zufällig gehören die WählerInnen der Pseudo-Grünen zur Spitzengruppe der VielfliegerInnen. Jeder zweite von ihnen ist mindestens einmal pro Jahr mit dem Flugzeug unterwegs - und damit öfter als AnhängerInnen aller anderen Parteien. Andrerseits: 95 Prozent der Weltbevölkerung haben noch nie ein Flugzeug von innen gesehen.

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12.12.2018 / 22:12 Uwe, Radio Blau, Leipzig
12.12.2018
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