Ungewöhnliche Vehemenz: Thüringen und das Nachspiel
ID 99942
„Es gilt, Dinge zu verstehen, die hier passieren“
EIN KOMMENTAR der Redaktion Sachzwang FM
Die parteipolitische Auseinandersetzung um das, was wahlweise das „Debakel von Thüringen“ oder „der politische“ oder „moralische Dammbruch“ genannt wird, wird mit einer ungewöhnlichen Vehemenz geführt. Symbolpolitik, könnte man meinen, aber diesmal ist es mehr: Die wohlfeilen Beteuerungen, mit der Höcke-Partei nicht gemeinsame Sache machen zu wollen, haben sich bei den Rechtsliberalen von CDU und FDP als Makulatur entpuppt. Nun MÜSSEN sie so tun, als ob sie unschuldig in eine Falle getappt wären. Der angestammten Wählerschaft ist die Heuchelei nicht mehr so lange zuzumuten. Das antikommunistische Ressentiment der deutschen Mitte ist stärker als die antifaschistische Vernunft, allen neuerlichen Lippenbekenntnissen zum Trotz.
In Erwartung scharfer politischer Richtungskämpfe in Deutschlands größter und ewiger Volkspartei hat jetzt die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer klugerweise angekündigt, sich durch die zu erwartenden Gefechte nicht zermahlen zu lassen. Anders ist der Rückzug der Parteichefin kaum zu verstehen. Es muß aber auch höchst unerquicklich sein, es einer teils linksliberalen Medienöffentlichkeit immer genauso recht machen zu wollen wie der eigenen, in großen Teilen latent rechts tickenden Parteibasis: ein orwellscher Spagat, eine Quadratur des Kreises. Mal gucken, wer so viel masochistischen Borderline-Eifer aufbringt, sich dies zumuten zu wollen.
Das zivilisierte, liberale, demokratische Selbstbild war und ist vor allem medial vermittelt. Die Rechte weiß das – und das ist ihre Trumpfkarte. DAHER kann sie so virtuos auf der Klaviatur der Andeutungen und Provokationen, der Intrigen und Skandale spielen, wie es der Linken in einem postfaschistischen Land wie diesem nie möglich war. Und daher hat man vor einem Überraschungscoup der Rechten – zurecht – viel mehr Angst als vor einem der Linken: er ist ungleich wahrscheinlicher.
EIN KOMMENTAR der Redaktion Sachzwang FM
Die parteipolitische Auseinandersetzung um das, was wahlweise das „Debakel von Thüringen“ oder „der politische“ oder „moralische Dammbruch“ genannt wird, wird mit einer ungewöhnlichen Vehemenz geführt. Symbolpolitik, könnte man meinen, aber diesmal ist es mehr: Die wohlfeilen Beteuerungen, mit der Höcke-Partei nicht gemeinsame Sache machen zu wollen, haben sich bei den Rechtsliberalen von CDU und FDP als Makulatur entpuppt. Nun MÜSSEN sie so tun, als ob sie unschuldig in eine Falle getappt wären. Der angestammten Wählerschaft ist die Heuchelei nicht mehr so lange zuzumuten. Das antikommunistische Ressentiment der deutschen Mitte ist stärker als die antifaschistische Vernunft, allen neuerlichen Lippenbekenntnissen zum Trotz.
In Erwartung scharfer politischer Richtungskämpfe in Deutschlands größter und ewiger Volkspartei hat jetzt die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer klugerweise angekündigt, sich durch die zu erwartenden Gefechte nicht zermahlen zu lassen. Anders ist der Rückzug der Parteichefin kaum zu verstehen. Es muß aber auch höchst unerquicklich sein, es einer teils linksliberalen Medienöffentlichkeit immer genauso recht machen zu wollen wie der eigenen, in großen Teilen latent rechts tickenden Parteibasis: ein orwellscher Spagat, eine Quadratur des Kreises. Mal gucken, wer so viel masochistischen Borderline-Eifer aufbringt, sich dies zumuten zu wollen.
Das zivilisierte, liberale, demokratische Selbstbild war und ist vor allem medial vermittelt. Die Rechte weiß das – und das ist ihre Trumpfkarte. DAHER kann sie so virtuos auf der Klaviatur der Andeutungen und Provokationen, der Intrigen und Skandale spielen, wie es der Linken in einem postfaschistischen Land wie diesem nie möglich war. Und daher hat man vor einem Überraschungscoup der Rechten – zurecht – viel mehr Angst als vor einem der Linken: er ist ungleich wahrscheinlicher.
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Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Arbeitswelt, Kultur, Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
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Vollständiger Wortlaut des Kommentars:
Ungewöhnliche Vehemenz. „Es gilt, Dinge zu verstehen, die hier passieren“
Die parteipolitische Auseinandersetzung um das, was wahlweise das „Debakel von Thüringen“ oder „der politische“ oder „moralische Dammbruch“ genannt wird, wird mit einer ungewöhnlichen Vehemenz geführt. Symbolpolitik, könnte man meinen, aber diesmal ist es mehr: Die wohlfeilen Beteuerungen, mit der Höcke-Partei nicht gemeinsame Sache machen zu wollen, haben sich bei den Rechtsliberalen von CDU und FDP als Makulatur entpuppt. Nun müssen sie so tun, als ob sie unschuldig in eine Falle getappt wären; gut, daß dieses Exkulpationsgebaren weithin eine dezidierte Abfuhr erfährt. Nur jener provinziell-clowneske Parlamentarier spricht das Offensichtliche offen aus: Wir haben sie genau da, wo wir sie haben wollen. Jetzt müssen sie Farbe bekennen. Wir treiben sie vor uns her ... feixte Stefan Möller (AfD Thüringen) noch am Wahlabend sinngemäß.
Es ist ja auch nicht so, daß die rechte Fraktion als Zünglein an der Waage fungiert hätte, sondern fast die Hälfte aller Stimmen für den FDP-Ministerpräsidenten kam von den Höcke-Getreuen, keine Petitesse.
CDU, CSU und FDP wissen so gut wie die AfD um die nicht gar so kleinen Gemeinsamkeiten im gesellschaftspolitischen Ideen-Inventar (wenn man einmal von den Putsch- und Straffantasien der Völkischen absieht). Allein die Höcke-Partei spricht das genüßlich offen aus, bei den bürgerlichen herrscht noch eine gewisse Heuchelei und gespielte Reserviertheit vor, schließlich hat man ein Außenbild und, schlimmer noch, ein Selbstbild zu verlieren. Ein Altmeier, eine Kramp-Karrenbauer, ein Laschet, ja sogar ein Lindner weiß, was in Interviews, Ansprachen und Talkshows zu sagen ist, um den freigelegten Opportunismus zu kaschieren und nicht das Gesicht zu verlieren. Und man muß allen Ernstes froh sein um diese Heuchelei, denn: Langsam bröckelt die Fassade, und die deutsche Mitte, sprich „die Union“, zeigt bald ihr wahres Gesicht. Der Einfluß derer, die früher noch den rechten Rand des Bundestages – innerhalb der CDU/CSU nämlich – bildeten, sehen sich mit stiller Genugtuung dem nun auch parlamentarischen Druck (oder vielmehr Sog) von rechts ausgesetzt. Und auch der angestammten Wählerschaft ist die Heuchelei nicht mehr so lange zuzumuten. Das antikommunistische Ressentiment der deutschen Mitte ist stärker als die antifaschistische Vernunft, allen neuerlichen Lippenbekenntnissen zum Trotz. Und nicht erst seit der NS-Zeit oder dem Krisenelend infolge von 1929, sondern wohl schon seit der frühen Weimarer Republik, der vergurkten Revolution von 1918.
In Erwartung scharfer politischer Richtungskämpfe in Deutschlands größter und ewiger Volkspartei hat jetzt die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer klugerweise angekündigt, sich durch die zu erwartenden Gefechte nicht zermahlen zu lassen. Anders ist der Rückzug der Parteichefin kaum zu verstehen. Es muß aber auch höchst unerquicklich sein, es einer teils linksliberalen Medienöffentlichkeit immer genauso recht machen zu wollen wie der eigenen, in großen Teilen latent rechts tickenden Parteibasis: ein orwellscher Spagat, eine Quadratur des Kreises. Mal gucken, wer so viel masochistischen Borderline-Eifer aufbringt, sich dies zumuten zu wollen.
Was die SPD zwar nicht hinter sich hat, aber mittendrin steckt, eine strukturelle Krise der Repräsentation nämlich (Hartz/Schröder vs. Milieu-Sozialdemokratie), haben die Unionsparteien möglicherweise noch vor sich. Bei ihnen wird der Streit um die – eigentlich unlösbare – Frage toben, ob man es sich angesichts eines zivilisiert-proeuropäisch-liberalen Images leisten kann, so chauvinistisch aufzutreten, wie ein Großteil der Wählerinnen und Wähler tickt, und das längst auch wieder offener als früher. Das hat nicht nur die Griechenland-Euro-Politik gezeigt, deren Häßlichkeit mit „Willkommenskultur“ geheilt werden sollte.
So onkelhaft einmal Gestalten wie Brüderle medial rüberkamen, so tantenhaft Kramp-Karrenbauer. Und als ob Namen etwas über Charakter aussagen würden (was grober Unfug ist): so jovial Brüderle wirkte, so freudlos Kramp-Karrenbauer, verklemmter ist nur Brinkhaus. Das Zeug zum ehrfurchtgebietenden Militaristen – „Charisma“ nennen das ja die Fans von Aura und Autorität – hätte der pfälzische Spaßmacher rein vom Image her nicht gehabt, die saarländische Gouvernante aber schon. Sie war nach der disziplinierten Adels-Ärztin mit Mutterkreuz die optimale Besetzung fürs Bundeswehr-Ressort: Als Frau, um zu zeigen, wie gleichberechtigt und zivil „wir in Deutschland“ sind; als multifunktional-serielle Spezialministerin (Familien-, Arbeits-, Kriegs-, Europa), um dem Inbegriff streberhaften Spitzenpersonals ein Antlitz zu geben („Kann sie Kanzler?“). Doch geht es hier ja gar nicht um von der Leyen, sondern um Kramp-Karrenbauer.
Dumm ist sie nicht, und daher wird sie wissen, wie sehr die Fassade sowohl der CDU/CSU-Basis als auch ihrer Wähler von deren wirklicher mental-ideologischer Geistesverfassung abweicht. Die Fassade, gut bürgerlich und mittlerweile auch gern „zivilgesellschaftlich“, brüstet sich seit jeher mit einer Äquidistanz zu links und rechts (was schlimm genug wäre), wer aber nicht nur die Geschichte der letzten hundert Jahre kennt, sondern auch öfter mal freiwillig oder unfreiwillig Zeuge von Gesprächen ganz normaler Deutscher wird, weiß, wie spinnert und naiv dem Durchschnittsbürger linke Ideen dünken und wie alltäglich rechte. Daß dieses Phänomen bei Polizei und Armee noch weiter verbreitet ist, ist ja mittlerweile sogar öffentlich bekannt.
Allein der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit, die – das war man der Nachkriegskonstellation schuldig – schon immer etwas links des hiesigen Durchschnittsgemüts war, ist es zu verdanken, daß der sog. politischen Mitte leicht das Bekenntnis zur edelmütigen Distanz von den politischen Polen links und rechts abzutrotzen war. Dabei konnte in der Adenauer- wie auch noch in der Kohl-Ära jeder wissen, daß natürlich auch die Nachfahren des politischen „Zentrums“, Gralshüter des Konservatismus, im Zweifelsfall immer eher einem rabiaten Wahrer des Deutschtums beispringen würden als einem Gegner der arrivierten Besitzverhältnisse.
Das ließ sich und läßt sich nicht nur an der Polung der Staatsapparate, zuvörderst der Außen- wie auch Inlandsgeheimdienste studieren (BND und VS, die allesamt noch eine unverkennbar tendenziöse, jahrzehntelange Prägung aus dem Kalten Krieg mitbringen),² sondern auch bei Prominenten immer dann, wenn keine Kameras oder Mikrofone zugegen sind (die doch nur lästige Skandale produzieren). Und vor allem an beliebigen Arbeitsplätzen, in Vereinen, Kneipen usw. Das zivilisierte, liberale, demokratische Selbstbild war und ist vor allem medial vermittelt. Die Rechte weiß das – und das ist ihre Trumpfkarte. Daher kann sie so virtuos auf der Klaviatur der Andeutungen und Provokationen, der Intrigen und Skandale spielen, wie es der Linken in einem postfaschistischen Land wie diesem nie möglich war. Und daher hat man vor einem Überraschungscoup der Rechten – zurecht – viel mehr Angst als vor einem der Linken: er ist ungleich wahrscheinlicher.
Vielleicht wird man sich – angesichts dessen, was da am Horizont an stolzen Herrenreitern aufzieht – Kramp-Karrenbauer noch zurückwünschen. Wahrscheinlich aber nicht.
²) Nur nochmal zur Erinnerung betreffs vermeintlicher Neutralität der Staats- und Verfassungsorgane: der Fall KPD (verboten seit 1956), der Fall NPD (zweimal ausdrücklich nicht verboten, zuletzt wegen Irrelevanz), der Fall NSU (peinliches Schweigen und Schreddern), der Fall PDS/Linkspartei (geheimdienstliche Beobachtung), der Fall AfD (nicht einmal unter Beobachtung, obwohl Höcke, aus „der Mitte der Partei“, aktenkundig verbriefter Faschist ist).
Ungewöhnliche Vehemenz. „Es gilt, Dinge zu verstehen, die hier passieren“
Die parteipolitische Auseinandersetzung um das, was wahlweise das „Debakel von Thüringen“ oder „der politische“ oder „moralische Dammbruch“ genannt wird, wird mit einer ungewöhnlichen Vehemenz geführt. Symbolpolitik, könnte man meinen, aber diesmal ist es mehr: Die wohlfeilen Beteuerungen, mit der Höcke-Partei nicht gemeinsame Sache machen zu wollen, haben sich bei den Rechtsliberalen von CDU und FDP als Makulatur entpuppt. Nun müssen sie so tun, als ob sie unschuldig in eine Falle getappt wären; gut, daß dieses Exkulpationsgebaren weithin eine dezidierte Abfuhr erfährt. Nur jener provinziell-clowneske Parlamentarier spricht das Offensichtliche offen aus: Wir haben sie genau da, wo wir sie haben wollen. Jetzt müssen sie Farbe bekennen. Wir treiben sie vor uns her ... feixte Stefan Möller (AfD Thüringen) noch am Wahlabend sinngemäß.
Es ist ja auch nicht so, daß die rechte Fraktion als Zünglein an der Waage fungiert hätte, sondern fast die Hälfte aller Stimmen für den FDP-Ministerpräsidenten kam von den Höcke-Getreuen, keine Petitesse.
CDU, CSU und FDP wissen so gut wie die AfD um die nicht gar so kleinen Gemeinsamkeiten im gesellschaftspolitischen Ideen-Inventar (wenn man einmal von den Putsch- und Straffantasien der Völkischen absieht). Allein die Höcke-Partei spricht das genüßlich offen aus, bei den bürgerlichen herrscht noch eine gewisse Heuchelei und gespielte Reserviertheit vor, schließlich hat man ein Außenbild und, schlimmer noch, ein Selbstbild zu verlieren. Ein Altmeier, eine Kramp-Karrenbauer, ein Laschet, ja sogar ein Lindner weiß, was in Interviews, Ansprachen und Talkshows zu sagen ist, um den freigelegten Opportunismus zu kaschieren und nicht das Gesicht zu verlieren. Und man muß allen Ernstes froh sein um diese Heuchelei, denn: Langsam bröckelt die Fassade, und die deutsche Mitte, sprich „die Union“, zeigt bald ihr wahres Gesicht. Der Einfluß derer, die früher noch den rechten Rand des Bundestages – innerhalb der CDU/CSU nämlich – bildeten, sehen sich mit stiller Genugtuung dem nun auch parlamentarischen Druck (oder vielmehr Sog) von rechts ausgesetzt. Und auch der angestammten Wählerschaft ist die Heuchelei nicht mehr so lange zuzumuten. Das antikommunistische Ressentiment der deutschen Mitte ist stärker als die antifaschistische Vernunft, allen neuerlichen Lippenbekenntnissen zum Trotz. Und nicht erst seit der NS-Zeit oder dem Krisenelend infolge von 1929, sondern wohl schon seit der frühen Weimarer Republik, der vergurkten Revolution von 1918.
In Erwartung scharfer politischer Richtungskämpfe in Deutschlands größter und ewiger Volkspartei hat jetzt die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer klugerweise angekündigt, sich durch die zu erwartenden Gefechte nicht zermahlen zu lassen. Anders ist der Rückzug der Parteichefin kaum zu verstehen. Es muß aber auch höchst unerquicklich sein, es einer teils linksliberalen Medienöffentlichkeit immer genauso recht machen zu wollen wie der eigenen, in großen Teilen latent rechts tickenden Parteibasis: ein orwellscher Spagat, eine Quadratur des Kreises. Mal gucken, wer so viel masochistischen Borderline-Eifer aufbringt, sich dies zumuten zu wollen.
Was die SPD zwar nicht hinter sich hat, aber mittendrin steckt, eine strukturelle Krise der Repräsentation nämlich (Hartz/Schröder vs. Milieu-Sozialdemokratie), haben die Unionsparteien möglicherweise noch vor sich. Bei ihnen wird der Streit um die – eigentlich unlösbare – Frage toben, ob man es sich angesichts eines zivilisiert-proeuropäisch-liberalen Images leisten kann, so chauvinistisch aufzutreten, wie ein Großteil der Wählerinnen und Wähler tickt, und das längst auch wieder offener als früher. Das hat nicht nur die Griechenland-Euro-Politik gezeigt, deren Häßlichkeit mit „Willkommenskultur“ geheilt werden sollte.
So onkelhaft einmal Gestalten wie Brüderle medial rüberkamen, so tantenhaft Kramp-Karrenbauer. Und als ob Namen etwas über Charakter aussagen würden (was grober Unfug ist): so jovial Brüderle wirkte, so freudlos Kramp-Karrenbauer, verklemmter ist nur Brinkhaus. Das Zeug zum ehrfurchtgebietenden Militaristen – „Charisma“ nennen das ja die Fans von Aura und Autorität – hätte der pfälzische Spaßmacher rein vom Image her nicht gehabt, die saarländische Gouvernante aber schon. Sie war nach der disziplinierten Adels-Ärztin mit Mutterkreuz die optimale Besetzung fürs Bundeswehr-Ressort: Als Frau, um zu zeigen, wie gleichberechtigt und zivil „wir in Deutschland“ sind; als multifunktional-serielle Spezialministerin (Familien-, Arbeits-, Kriegs-, Europa), um dem Inbegriff streberhaften Spitzenpersonals ein Antlitz zu geben („Kann sie Kanzler?“). Doch geht es hier ja gar nicht um von der Leyen, sondern um Kramp-Karrenbauer.
Dumm ist sie nicht, und daher wird sie wissen, wie sehr die Fassade sowohl der CDU/CSU-Basis als auch ihrer Wähler von deren wirklicher mental-ideologischer Geistesverfassung abweicht. Die Fassade, gut bürgerlich und mittlerweile auch gern „zivilgesellschaftlich“, brüstet sich seit jeher mit einer Äquidistanz zu links und rechts (was schlimm genug wäre), wer aber nicht nur die Geschichte der letzten hundert Jahre kennt, sondern auch öfter mal freiwillig oder unfreiwillig Zeuge von Gesprächen ganz normaler Deutscher wird, weiß, wie spinnert und naiv dem Durchschnittsbürger linke Ideen dünken und wie alltäglich rechte. Daß dieses Phänomen bei Polizei und Armee noch weiter verbreitet ist, ist ja mittlerweile sogar öffentlich bekannt.
Allein der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit, die – das war man der Nachkriegskonstellation schuldig – schon immer etwas links des hiesigen Durchschnittsgemüts war, ist es zu verdanken, daß der sog. politischen Mitte leicht das Bekenntnis zur edelmütigen Distanz von den politischen Polen links und rechts abzutrotzen war. Dabei konnte in der Adenauer- wie auch noch in der Kohl-Ära jeder wissen, daß natürlich auch die Nachfahren des politischen „Zentrums“, Gralshüter des Konservatismus, im Zweifelsfall immer eher einem rabiaten Wahrer des Deutschtums beispringen würden als einem Gegner der arrivierten Besitzverhältnisse.
Das ließ sich und läßt sich nicht nur an der Polung der Staatsapparate, zuvörderst der Außen- wie auch Inlandsgeheimdienste studieren (BND und VS, die allesamt noch eine unverkennbar tendenziöse, jahrzehntelange Prägung aus dem Kalten Krieg mitbringen),² sondern auch bei Prominenten immer dann, wenn keine Kameras oder Mikrofone zugegen sind (die doch nur lästige Skandale produzieren). Und vor allem an beliebigen Arbeitsplätzen, in Vereinen, Kneipen usw. Das zivilisierte, liberale, demokratische Selbstbild war und ist vor allem medial vermittelt. Die Rechte weiß das – und das ist ihre Trumpfkarte. Daher kann sie so virtuos auf der Klaviatur der Andeutungen und Provokationen, der Intrigen und Skandale spielen, wie es der Linken in einem postfaschistischen Land wie diesem nie möglich war. Und daher hat man vor einem Überraschungscoup der Rechten – zurecht – viel mehr Angst als vor einem der Linken: er ist ungleich wahrscheinlicher.
Vielleicht wird man sich – angesichts dessen, was da am Horizont an stolzen Herrenreitern aufzieht – Kramp-Karrenbauer noch zurückwünschen. Wahrscheinlich aber nicht.
²) Nur nochmal zur Erinnerung betreffs vermeintlicher Neutralität der Staats- und Verfassungsorgane: der Fall KPD (verboten seit 1956), der Fall NPD (zweimal ausdrücklich nicht verboten, zuletzt wegen Irrelevanz), der Fall NSU (peinliches Schweigen und Schreddern), der Fall PDS/Linkspartei (geheimdienstliche Beobachtung), der Fall AfD (nicht einmal unter Beobachtung, obwohl Höcke, aus „der Mitte der Partei“, aktenkundig verbriefter Faschist ist).
Kommentare
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18.02.2020 / 18:06 | Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar |
in sonar
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am 18.2.. Vielen Dank! Traurig, aber wahr! | |
20.02.2020 / 09:15 | Tagesaktuelle Redaktion, Radio Corax, Halle |
gesendet
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am Montag im Mittagsmagazin. Vielen Dank! | |