Vor 40 Jahren: Gorbatschow tritt an
ID 134339

Im März 1985 wird Michail S. Gorbatschow in Moskau zum Parteichef gekürt. Als man sah, wie überraschend sympathisch und telegen der neue Herr Generalsekretär war, bekamen die Konservativen im Westen Muffensausen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, half nur noch ein Nazivergleich: „Er ist ein moderner kommunistischer Führer, der sich auf Public Relations versteht. Goebbels verstand auch etwas von Public Relations. Man muß die Dinge auf den Punkt bringen.“ (Helmut Kohl)
So wie es später über den „alternativlosen“ Neoliberalismus in einem paradoxen Bonmot heißen wird, jeder könne sich eher das Ende der Welt vorstellen als ein Ende des Kapitalismus, erscheint in den 80er Jahren die internationale Lage bleiern und ewiglich. Die zwei Supermächte stehen sich seit 40 Jahren bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Das nukleare Waffenarsenal ist seit Jahrzehnten apokalyptisch, und die einen sagen, gut so, das bietet Sicherheit (Abschreckungsdoktrin), die anderen befürchten, die Menschheit habe noch höchstens 10 oder 20 Jahre. Jedenfalls kann sich jeder eher ein Ende der Welt vorstellen als ein Ende der UdSSR oder der USA, ein Ende der statisch wirkenden Konfrontation der Supermächte, die sich die Welt in Einflußzonen aufgeteilt haben.
Den Rest besorgt die Konvergenztheorie: Im Westen werde die Marktwirtschaft immer sozialer, im Osten werde der Sozialismus immer zivilisierter; denn immerhin müssen die verfeindeten Gesellschaftsentwürfe ja miteinander konkurrieren.
Was im 21. Jahrhundert passieren wird, ahnt noch niemand.
Es gibt sechs Beiträge zu hören:
– Georg Seeßlen geht dem öffentlichen Bild Gorbatschows nach, das sich (v.a. im Westen und insbesondere in Dtl.) schon bald verselbständigen und vom politischen Akteur loslösen sollte („Unser Gorbi. Kein Nachruf“; 10 Minuten)
– Boris Kagarlitsky zeichnet ein ernüchterndes Bild des letzten Generalsekretärs und Präsidenten der UdSSR („Der letzte Apparatschik“; 10 Minuten)
– Die Redaktion Sachzwang FM versucht sich an einem geschichtsphilosophischen Rückblick auf Gorbatschow und die Sowjetunion (20 Minuten)
– Der Chronist David Priestland zeichnet ein detaillierteres Bild der sowjetischen Reformära 1985–1991, ihrer Protagonisten und ihrer Gegner, sowie der internationalen Umstände („Zwillingsrevolutionen“; 40 Minuten)
– Ewgeniy Kasakow rät allen, denen an gesellschaftlicher Emanzipation gelegen ist, sich mit der Geschichte des sowjetischen Scheiterns zu beschäftigen („Hoffnungsträger und Totengräber“; 10 Minuten)
– Julian Bierwirth geht den Problemen der Planwirtschaft in grundsätzlicher und kategorialer Hinsicht auf den Grund („Sozialistische Warenproduktion? Gescheitert!“; 10 Minuten)
Dauer: 120 Minuten
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So wie es später über den „alternativlosen“ Neoliberalismus in einem paradoxen Bonmot heißen wird, jeder könne sich eher das Ende der Welt vorstellen als ein Ende des Kapitalismus, erscheint in den 80er Jahren die internationale Lage bleiern und ewiglich. Die zwei Supermächte stehen sich seit 40 Jahren bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Das nukleare Waffenarsenal ist seit Jahrzehnten apokalyptisch, und die einen sagen, gut so, das bietet Sicherheit (Abschreckungsdoktrin), die anderen befürchten, die Menschheit habe noch höchstens 10 oder 20 Jahre. Jedenfalls kann sich jeder eher ein Ende der Welt vorstellen als ein Ende der UdSSR oder der USA, ein Ende der statisch wirkenden Konfrontation der Supermächte, die sich die Welt in Einflußzonen aufgeteilt haben.
Den Rest besorgt die Konvergenztheorie: Im Westen werde die Marktwirtschaft immer sozialer, im Osten werde der Sozialismus immer zivilisierter; denn immerhin müssen die verfeindeten Gesellschaftsentwürfe ja miteinander konkurrieren.
Was im 21. Jahrhundert passieren wird, ahnt noch niemand.
Es gibt sechs Beiträge zu hören:
– Georg Seeßlen geht dem öffentlichen Bild Gorbatschows nach, das sich (v.a. im Westen und insbesondere in Dtl.) schon bald verselbständigen und vom politischen Akteur loslösen sollte („Unser Gorbi. Kein Nachruf“; 10 Minuten)
– Boris Kagarlitsky zeichnet ein ernüchterndes Bild des letzten Generalsekretärs und Präsidenten der UdSSR („Der letzte Apparatschik“; 10 Minuten)
– Die Redaktion Sachzwang FM versucht sich an einem geschichtsphilosophischen Rückblick auf Gorbatschow und die Sowjetunion (20 Minuten)
– Der Chronist David Priestland zeichnet ein detaillierteres Bild der sowjetischen Reformära 1985–1991, ihrer Protagonisten und ihrer Gegner, sowie der internationalen Umstände („Zwillingsrevolutionen“; 40 Minuten)
– Ewgeniy Kasakow rät allen, denen an gesellschaftlicher Emanzipation gelegen ist, sich mit der Geschichte des sowjetischen Scheiterns zu beschäftigen („Hoffnungsträger und Totengräber“; 10 Minuten)
– Julian Bierwirth geht den Problemen der Planwirtschaft in grundsätzlicher und kategorialer Hinsicht auf den Grund („Sozialistische Warenproduktion? Gescheitert!“; 10 Minuten)
Dauer: 120 Minuten
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Audio
02:00:00 h, 82 MB, mp3
mp3, 96 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 12.05.2025 / 12:53
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Klassifizierung
Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, SeniorInnen, Kultur, Politik/Info
Serie: Sachzwang FM
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung

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Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Quellen:
1) konkret Magazin, 2022
2) konkret Magazin, 2022
3) hausgemacht, 2022
4) "Weltgeschichte des Kommunismus", 2009
5) Wochenzeitung Jungle World, 2022
6) Wochenzeitung Jungle World, 2022
Hintergrundmusik:
1) bei Seeßlen: Dimitri Schostakowitsch ("Morgenröte der Menschheit")
2) bei Kagarlitsky: Bernard Herrmann ("The Wrong Man")
3) bei Red. Sachzwang FM: diverser 80s Pop
4) bei Priestland: Bernard Herrmann ("Vertigo", "Psycho")
5) bei Kasakow: Dimitri Schostakowitsch ("Revolutionäres Petrograd")
6) bei Bierwirth: Dimitri Schostakowitsch ("Rasliw")
dazwischen: zeitgenössische Musik der mittleren 80er Jahre
- Ozzy Osbourne ("The ultimate sin", "Secret loser", "Thank god for the bomb", "Killer of giants")
- Frankie Goes To Hollywood ("Two tribes", ...)
Ein Wort zur Musik
Obwohl Hardrock sicherlich keine für die Sendereihe Sachzwang FM prädestinierte Musikrichtung ist, scheint doch eine Begleitung durch Ozzy Osbourne beim heutigen Thema eine gute Idee zu sein: Der androgyn wirkende Sänger mit der so eindringlich nölenden Stimme hatte schon um 1970 mit seiner Band Black Sabbath gesellschaftliche Verwerfungen und psychische Untiefen ausgelotet, als er (noch während des Vietnamkriegs) beinharte Antikriegslieder intonierte – oder aber desillusionierende Verliererhymnen wie „Paranoid“. Jedenfalls haftete Osbournes Musik oft eine eigentümliche Melancholie an, was sicherlich zur Gesamtkomposition der heutigen Sendung paßt. In der frühen Regierungszeit Gorbatschows erschien 1986 das Album „The Ultimate Sin“, das gleich drei Songs enthält, die sich mit der nuklearen Apokalypse beschäftigen. „Killer of giants“ spielt auf die überdimensionierte Monstrosität der Atomwaffen-Gattung an, eigentlich seien dies gar keine Waffen für Menschen, sondern für Riesen. „Thank god for the bomb“ beschäftigt sich mit der Abschreckungsdoktrin, wobei unklar bleibt, ob der Titel ironisch und sarkastisch gemeint ist oder ernsthaft vertreten werden kann; „if it's the only thing that's saving peace“. Im Titelsong „The ultimate sin“ schließlich betätigt sich Osbourne wie schon um 1970 als Prediger, wenn er in warnender Pose den Augenblick beschwört, in dem kurzerhand der dritte Weltkrieg ausgelöst wird: „If the button is pushed, there'll be nowhere to run“. Man darf sich bei dieser Platte nicht von dem genre-typisch trashigen Covermotiv abschrecken lassen, das nicht nur Osbourne als mit Brandblasen übersäte Drachenkreatur vor der Kulisse eines atomaren Infernos zeigt, sondern auch eine medusen-artige femme fatale, extra für angehende Gesäß- und Stiefelfetischisten. Offenbar mußte „die ultimative Sünde“ für politisch desinteressierte, schlichtere Gemüter anders als atomar, nämlich sexuell konnotiert werden.
Böse Zungen behaupten, auch das Lied „Secret loser“ („heimlicher Verlierer“) ließe sich auf Gorbatschow münzen.
1) konkret Magazin, 2022
2) konkret Magazin, 2022
3) hausgemacht, 2022
4) "Weltgeschichte des Kommunismus", 2009
5) Wochenzeitung Jungle World, 2022
6) Wochenzeitung Jungle World, 2022
Hintergrundmusik:
1) bei Seeßlen: Dimitri Schostakowitsch ("Morgenröte der Menschheit")
2) bei Kagarlitsky: Bernard Herrmann ("The Wrong Man")
3) bei Red. Sachzwang FM: diverser 80s Pop
4) bei Priestland: Bernard Herrmann ("Vertigo", "Psycho")
5) bei Kasakow: Dimitri Schostakowitsch ("Revolutionäres Petrograd")
6) bei Bierwirth: Dimitri Schostakowitsch ("Rasliw")
dazwischen: zeitgenössische Musik der mittleren 80er Jahre
- Ozzy Osbourne ("The ultimate sin", "Secret loser", "Thank god for the bomb", "Killer of giants")
- Frankie Goes To Hollywood ("Two tribes", ...)
Ein Wort zur Musik
Obwohl Hardrock sicherlich keine für die Sendereihe Sachzwang FM prädestinierte Musikrichtung ist, scheint doch eine Begleitung durch Ozzy Osbourne beim heutigen Thema eine gute Idee zu sein: Der androgyn wirkende Sänger mit der so eindringlich nölenden Stimme hatte schon um 1970 mit seiner Band Black Sabbath gesellschaftliche Verwerfungen und psychische Untiefen ausgelotet, als er (noch während des Vietnamkriegs) beinharte Antikriegslieder intonierte – oder aber desillusionierende Verliererhymnen wie „Paranoid“. Jedenfalls haftete Osbournes Musik oft eine eigentümliche Melancholie an, was sicherlich zur Gesamtkomposition der heutigen Sendung paßt. In der frühen Regierungszeit Gorbatschows erschien 1986 das Album „The Ultimate Sin“, das gleich drei Songs enthält, die sich mit der nuklearen Apokalypse beschäftigen. „Killer of giants“ spielt auf die überdimensionierte Monstrosität der Atomwaffen-Gattung an, eigentlich seien dies gar keine Waffen für Menschen, sondern für Riesen. „Thank god for the bomb“ beschäftigt sich mit der Abschreckungsdoktrin, wobei unklar bleibt, ob der Titel ironisch und sarkastisch gemeint ist oder ernsthaft vertreten werden kann; „if it's the only thing that's saving peace“. Im Titelsong „The ultimate sin“ schließlich betätigt sich Osbourne wie schon um 1970 als Prediger, wenn er in warnender Pose den Augenblick beschwört, in dem kurzerhand der dritte Weltkrieg ausgelöst wird: „If the button is pushed, there'll be nowhere to run“. Man darf sich bei dieser Platte nicht von dem genre-typisch trashigen Covermotiv abschrecken lassen, das nicht nur Osbourne als mit Brandblasen übersäte Drachenkreatur vor der Kulisse eines atomaren Infernos zeigt, sondern auch eine medusen-artige femme fatale, extra für angehende Gesäß- und Stiefelfetischisten. Offenbar mußte „die ultimative Sünde“ für politisch desinteressierte, schlichtere Gemüter anders als atomar, nämlich sexuell konnotiert werden.
Böse Zungen behaupten, auch das Lied „Secret loser“ („heimlicher Verlierer“) ließe sich auf Gorbatschow münzen.