Coccinelle, Sängerin & Wegbereiterin für trans*-Rechte in Frankreich

ID 56089
 
Ein Beitrag über das Leben von Coccinelle, eine der ersten öffentlich lebenden trans* Menschen in Frankreich. Sie erstritt sich unter anderem das Recht auf Namens- und Personenstandsänderung, sowie die Möglichkeit zu Heiraten.
Audio
12:18 min, 17 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.05.2013 / 00:27

Dateizugriffe: 22

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Schwul, Frauen/Lesben, Musik, Arbeitswelt, Internationales
Entstehung

AutorInnen: sakura
Radio: Transgenderradio Ber, Berlin
Produktionsdatum: 21.05.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das war einmal etwas ältere Musik als ihr sonst bei uns gewohnt seid, aber diese Musik hat einen Grund. Die Sängerin dieses Songs ist nämlich niemand anderes als Coccinelle, mit bürgerlichem Namen Jaqueline Charlotte Dufresnoy. Sie war eine der ersten offen lebenden trans* Frauen in Frankreich. Im Laufe ihres Lebens hat sie viele Errungenschaften für trans* Menschen erreicht, so war sie die Erste die in Frankreich eine Personenstandsänderung erhielt und dann heiratete, und zwar in der Kathedrale Notre Dame in Paris. Auch dass sie es schaffte 1961 ihre Personenstandsänderung durchzusetzen, war eine Sensation, in dieser Zeit war Crossdressing in Frankreich ein durchaus üblicher Grund für Verhaftungen. In diesem gesellschaftlichen Klima wurde sie dann auch bei ihrer ersten Scheidung gleich exkommuniziert. Bekannt wurde sie jedoch, neben ihren beeindruckenden Turmfrisuren, vor allem durch ihre Präsenz in den Zeitungen. Dass sie sich nackt fotografieren liess machte sie in konservativen Kreisen auch nicht beliebter.

Coccinelle wurde am 23. August 1931 geboren. Ihr Künstlername bedeutet so viel wie Marienkäfer. Die Legende besagt dass sie diesen Namen von ihrem schwarz-rot gepunkteten Lieblingskleid hat, das sie als Kind trug.
Später wurde sie nach nur 6 Tagen aus dem Militärdienst entlassen, weil man dort offenbar einige Schwierigkeiten mit ihrer Weiblichkeit hatte. Um solchen Schwierigkeiten in Zukunft zu entgehen, lebte sie bald ganz als Frau, und Gerüchten nach mit einem wichtigen französischen Politiker zusammen.
Sie begann ihre Karriere als Künstlerin 1953 in dem Pariser Cabaret "Mme. Arthur" und im „le caroussel“, wo auch einige Andere spätere Berühmtheiten wie April Ashley, und angeblich auch Amanda Lear, auftraten. Als Künstlerin orientierte sie sich an den Stars ihrer Zeit, sie trat mit Songs im Stil von Marilyn Monroe, Josephine Baker, Brigitte Bardot und anderen auf. Trotz ihres Talents schrieb sie keine eigenen Lieder, mit eigenen Inhalten.
Berühmt wurde sie jedoch weniger für ihre Musik, sondern vor allem für eine der ersten geschlechtsangleichenden Operationen in Frankreich 1958, die sie in Casablanca durchführen liess. Zuvor hatte es solche Operationen nur vereinzelt gegeben, etwa die von Lili Elbe 1930 bei Magnus Hirschfeldt, oder in Dänemark die von Christine Jorgensen.

Durch ihre hohe Bekanntheit prägt sie bis heute das Bild das viele Menschen von trans* Frauen haben. Dennoch ist sie nicht allein verantwortlich für dieses oft negative Image, es lag im kommerziellen Interesse der Medien, ein möglichst sensationelles, skandalträchtiges Bild zu zeichnen. So entstanden Darstellungen, die zum Teil schwer erträglich in ihrer Klischeehaftigkeit sind. Sie empfand das selbst als Ausstellung als exotische Kirmesattraktion. Sie wurde immer sehr sexualisiert, und gleichzeitig sehr konventionell feminin, dargestellt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, wie begrenzt die Rollenvorgaben für Frauen in dieser Zeit waren, insbesondere für trans* Frauen.
Angesichts der Beschäftigungsaussichten in anderen Berufen zog sie dieses öffentliche Leben offenbar vor, immerhin ermöglichte es ihr ein hohes Einkommen, und weltweite Tourneen als Musikerin und Tänzerin, sowie einige größere Filmrollen. Dabei soll sie auch den Twist in einigen Ländern bekannt gemacht haben.
Einer der Höhepunkte ihrer Karriere waren 1963 ihre Auftritte mit einer eigenen Revue im Olympia Theater in Paris, einem der größten Theater in Frankreich.
In Den 70er Jahren begann sie weltweit auf Tournee zu gehen, in den 80 Jahren lebte sie auch einige Jahre in Berlin. Dort trat sie unter anderem bei Romy Haag auf. Später zog sie mit ihrem 3. Ehemann nach Marseille, wo sie eine trans* Supportorganisation mit dem Namen „devenir Femme“ gründete, und sich als trans* Aktivisten auch an anderen Organisationen beteiligte. Sie trat bis 2005 auf, und veröffentlichte ihre Biographie und Musik-CDs. Sie starb im Oktober 2006 im Alter von 75 Jahren.

Coccinelle war eine der wenigen trans* Menschen ihrer Zeit, die ihr Leben lang offen lebten, und das gegen große gesellschaftliche Widerstände und auch sehr persönliche Anfeindungen. Damit hat sie das Bild von trans* Lebensweisen nicht nur in Europa geprägt, und vielen später Geborenen das Leben etwas leichter gemacht. Ihre große Medienpräsenz unter Anderem als eine der ersten trans* Filmstars war im prä- Internet-Zeitalter für viele in ähnlichen Situationen eine große Hilfe. Sie setzte viele Rechte für trans* Menschen durch, und engagierte sich im Alter noch für die Kostenübernahme von geschlechtsangleichende OPs und andere Themen. Nun hört ihr noch einen ihrer bekanntesten Songs, „je cherche un milliardaire“.