"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - München definitiv

ID 78373
 
AnhörenDownload
Als ich am letzten Freitag vom Attentat im Münchner Olympia-Einkaufszentrum hörte, war ich sofort felsenfest davon überzeugt, dass es sich um einen Anschlag von Islamisten handele.
Audio
09:53 min, 23 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.08.2016 / 13:28

Dateizugriffe: 2110

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Religion, Jugend, Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.07.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Im Gegensatz zu anderen mit der gleichen felsenfesten Überzeugung war es mir dabei egal, ob die Täter Syrien-Flüchtlinge oder Maghrebiner, Tschetschenen, Afghanen oder konvertierte Deutsche waren; ich war zunächst einfach schockiert darüber, wie die fixe Idee nun auch in Deutschland konkrete Gestalt annimmt, dass zielloses Morden eine fromme Tat sei. Was heißt da eine fromme Tat: Man erhält zunehmend den Eindruck, dass gewisse Milieux solche Attentate eher wie eine Olympia-Sportart betreiben, denn die ethische Dimension, welche der Frömmigkeit untrennbar anhaftet, lässt sich weder in Belgien noch in Frankreich noch in Deutschland erkennen, womit aus Sicht eines Laien wie mir der Al-Kaida- und IS-Islam nur mit Sprengstoff angereicherter Nihilis­mus ist.

Weiter dachte ich mir, dass die Empfehlung des Islamischen Staates, fürderhin uneinge­schränkt und eben ziellos Attentate zu verüben mit einer möglichst hohen Anzahl an Opfern, nichts weiter ist als der Ausdruck der Niederlage des Islamischen Staates, seines Scheiterns als Staat. Der IS vermag sein Territorium nicht zu halten, und deshalb geht er über von der immerhin höheren Organisations­form als Staat zum tieferen Grad der wenn möglich breiten Vernetzung, welche sich tatsächlich kaum mehr von anderen illegalen Netzwerken unterscheidet bis auf jenen Bereich, wo die Isla­mis­ten mit Waffen nicht handeln, sondern sie rein aleatorisch einsetzen. Als Staat aber gibt es keine Zukunft für die Islamisten, mindestens nicht im Irak und in Syrien, während in jenen afrikanischen Ländern, wo Boko Haram aktiv ist, die Voraussetzungen auf allen Ebenen völlig anders sind.

Müssen wir nun also mit solchen Amokläufern, welche sich begeistert einen ideologischen Über­man­tel umhängen, zu leben lernen? – München war ein eindeutiger Hinweis darauf. Das ist ziem­lich hart, nicht zuletzt deshalb, weil die einzige Prävention in einer möglichst effizienten Über­wa­chung besteht, in einer starken Polizei; so hatte ich mir eine freie Gesellschaft nun eben nicht vor­gestellt. Aber das sind die Tatsachen.

Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch ein paar Tatsachen, welche man unterdessen schon fast historisch nennen muss und welche in der Argumentation der Islamisten eine zentrale Rolle spielen, nämlich dass in Bagdad, in Damaskus und in Kabul seit fünfzehn Jahren noch viel ver­recktere Verhältnisse herrschen als in unseren trotz allem nach wie vor sehr friedlichen Ländern, und zwar in erster Linie wegen der Angriffe der US-Amerikaner und ihrer europäischen Pudel-Alliierten, namentlich unter Georgieboy Wilhelm Busch. Ich erwähne auch die Tatsache, dass Dinge wie Al Kaida und der Islamische Staat sich nicht zuletzt aus den Erdöleinnahmen Saudi­ara­biens finanzieren, und sei es über den Umweg jener Moscheen und Glaubensschulen, welche die Saudis nach dem Jugoslawienkrieg in Bosnien und im Kosovo errichtet haben und welche zuver­lässig Personal für die verschiedenen islamistischen Kriege geliefert haben. Solltet ihr mit anderen Worten eure Wohnungen im Winter mit einer Ölheizung erwärmen, dann leistet ihr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen kleinen Beitrag zum islamistischen Terror. Nur damit dies auch noch gesagt ist. Und wenn ich dies sage, dann weder in der Absicht, irgend etwas zu entschuldigen noch vor allem, die einfachen Leute zu verunglimpfen, welche per Zufall jetzt halt im mosle­mi­schen Glauben erzogen worden sind statt im christlichen – ich spreche hier von der hohen Politik, welche unter anderem jenen Zustand hervorgebracht hat, dass das stockschwerenot-konservative Saudiarabien, aus welchem eben regelmäßig Erdölgelder in den islamistischen Terror fließen, ein zentraler Verbündeter der Vereinigten Staaten von Amerika ist, und wo wir grad dabei sind, könnte es ja sein, dass zum Beispiel diese strukturelle Schizophrenie mit eine Ursache dafür ist, dass die Republikaner sich jetzt auf eine Figur wie Donald Duck als Präsidentschaftskandidaten geeinigt haben. – Übrigens sieht Donald Duck exakt so aus wie Boris Johnson in zwanzig Jahren, aber dies nur nebenbei. –

Dies also rauschte mir am Freitagabend durch den Kopf, als die Polizei noch von drei möglichen Attentätern sprach, und so richtig erleichtert war ich dann auch wieder nicht, als sich am Samstag herausstellte, dass es sich bloß um einen verirrten Amokläufer gehandelt habe – das ist weder für die Betroffenen hilfreich noch für uns, denn die Diagnose gilt leider nach wie vor, und eine gewisse Erleichterung bietet nur die Feststellung, dass die Polizei offenbar gut vorbereitet ist und durchaus nicht massiv aufgerüstet zu werden braucht, wie dies nun angekündigt wurde; aber solche Ankündigungen gehörten wohl zum Kommunikationsritual bei derartigen Vorfällen. Aber sonst bleibt der Terror als ein wesentliches Element präsent, unabhängig von den effektiv verübten Anschlägen, solange, bis die Grundwelle des Islamismus verebbt ist, egal, ob in den Gefängnissen oder in den Köpfen von zornigen Jungmännern. So etwas dauert in der Regel ein paar Jahre.

Ein Folge- oder Spaltprodukt des islamistischen Terrors besteht in den eitrigen Eruptionen eines Teils der Volksseele. Hier stellt sich die Frage, wie es möglich ist, den völkisch-braunen Grunz­lauten nur schon die elementaren Regeln der Vernunft entgegen zu setzen. Es ist offensichtlich, dass eine nicht allzu große Bevölkerungsschicht vom rechten Rand der AfD bis ganz hinaus zu den Neonazis ebenso enthemmt ist wie die Anhänger des Islamischen Staates, und wenn man die Anschläge auf Flüchtlingsheime in Betracht zieht, ist auch die Grenze zur Kriminalität schon längstens überschritten. Wie kommt es, dass tausende von Menschen mit einer soweit anständigen Ausbildung jenem Teil ihres Charakters Auslauf geben, von dem sie genau wissen, dass es nur dröhnende Dummheit ist? Offensichtlich fühlt man sich wohl in Gesellschaft von anderen Menschen, welche kollektiv die kollektiven Tabus brechen, also in der Gesellschaft von Feiglingen. Das ist es, was mich unmittelbar empört. Weniger empört als vielmehr irritiert bin ich von jenem Phänomen, das stark daran erinnert, was von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissen­schaft­lern als eine Sorte von Verlust der Persönlichkeit untersucht wurde, welche unter der Naziherrschaft im Dritten Reich stattfand. Dabei sind die Umstände heute ja komplett verschieden von jenen in den dreißiger Jahren. Vor allem ist das Bewusstsein der Menschen deutlich höher entwickelt. All die Twitter-Dreckschleuderer müssen irgendwo in ihrem Superhirn ganz genau wissen, dass sie lauteren Blödsinn produzieren oder vielmehr reproduzieren. Was soll das? Wächst hier eine neue Therapieform heran, das Baden in Hühnerjauche als Ausgleich zu all den Ballerspielen am Computer? Ich weiß es nicht, und allzu viel Gedankenenergie möchte ich dazu eigentlich auch nicht aufwenden; zu diskutieren ist wohl nur jener Tagesordnungspunkt, von welchem Grad der Idiotie an auch hier die Polizei wirksam werden muss respektive die Untersuchungsbehörden und die Verfasser des braunen Blödsinns identifizieren und gemäß den bestehenden Gesetzen anklagen soll.

Vermutlich leiden diese Idioten gegenwärtig an einer kollektiven Magenverstimmung, weil sie den Münchner Amoklauf nicht so richtig eurer Bundeskanzlerin Merkel in die Schuhe schieben können. Das klappt schon besser mit dem Sprengsatz-Selbstmörder in Ansbach, der auch gut ins Profilbild des islamistischen Kleinkriminellen passt. Man kann sich vorstellen, welche Verheerungen der angerichtet hätte, wenn er aufs Festival-Gelände vorgestoßen wäre. Es ist ihm gottseidank nicht gelungen, und der Schaden hält sich einigermaßen im Rahmen, wenn dieser Rahmen auch weiterhin jenseits jeglichen Verständnisses wabert; und wie anfangs gesagt, Entwarnung können wir leider keine geben. Immerhin wollen wir daran erinnern, dass bisher die ordentlichen deutschen Bluttaten durchaus mithalten können, wenn man aus gegebenem Anlass an die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds erinnern darf, an jene Terrorzelle, die aus der gleichen rechten Ideologie entstanden ist, welche jetzt in den antiislamischen Bewegungen am Werk ist. Allerdings ist es nicht der richtige Weg, solche Mordsorten gegeneinander aufzurechnen; ich erwähne dies nur pro forma.

Doch noch einmal die Frage: Wie kommt es, dass unter den Bedingungen eines gewaltigen materiellen Wohlstandes, den Deutschland wie alle anderen entwickelten Ländern auch der Automatisierung und der globalen Arbeitsteilung verdankt, dass sich unter solchen Bedingungen ein derart lautstarkes braunes Idiotenzentrum ausbildet? Das ist eines der Rätsel des Weltgeistes, das ich gerne nur insofern lösen würde, als diese Idioten wieder verschwinden oder mindestens verstummen würden. Dafür braucht es im aktuellen Moment in erster Linie Ruhe und Überlegtheit der viel zitierten schweigenden Mehrheit; man kann davon ausgehen, dass die meisten Menschen unbedingt in der Lage sind, mindestens die einfachen Zusammenhänge zu erkennen und dass sie auch besonnen genug sind, keine Entgleisungen zu dulden, weder bei anderen noch bei sich selber. Denn dies muss auch immer wieder betont werden: Der moderne Mensch besteht aus so vielen Schichten wie ein tausendfacher Blätterteig, da haben auch die absurdesten Gedanken einen Parkplatz, ebenso wie die primitiv nationalistischen Versatzstücke. Und darum geht es dann per Saldo: dass man eben die produktiven absurden Gedanken abruft oder wenigstens die kreativen. Diese Schichten kann man auch die zivilisatorischen nennen. Wenn es gelingt, sie zu pflegen, durchaus auch gegen Konventionen und Tabus, aber eben nicht in die falsche, nämlich reaktionäre Richtung, sondern in irgendeine freie Richtung, welche die Verwirklichung des Individuums unterstützt anstatt seiner Ersäufung in einer verantwortungsfreien kollektiven Raserei, dann ist der wichtigste Schritt gelungen.

Ich fürchte, dass dies nicht der letzte Beitrag zum idealen Paar Islamismus und national­sozia­listischer Brunz sein wird, aber für heute geht mir definitiv die Puste aus.