Schwimmen ohne Oberteil: Transsexuelle Menschen im Breitensport

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Homosexualität im Spitzensport beherrscht gerade die Mainstream-Medien. Wie sich transsexuelle Menschen im Breitensport, also in den Umkleidekabinen der Schwimmbäder, Turnhallen und Fitnessstudios fühlen, mit welchen Ängsten sie kämpfen, mit welchen Problemen sie konfrontiert werden, darüber spricht niemand.

Robert Christiansen von Radio Corax, Jenz Steiner von Piradio und der Sport-Journalist Jörg Wieserner haben sich deshalb dem Tabu-Thema angenommen. Sie haben mit Menschen gesprochen, die diese Perspektive bestens kennen.
Audio
06:08 min, 14 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 17.01.2014 / 15:33

Dateizugriffe: 899

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Sport, Frauen/Lesben, Jugend, Schwul, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Robert Christiansen, Jenz Steiner, Jörg Wieserner
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 17.01.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Uli: Ich hab dann gemerkt, also so kann es einfach nicht weitergehen. Ich hab mich schon so viele Jahre versteckt, so kann es einfach nicht weitergehen. Ich habe mit niemandem darüber geredet. Ich wusste einfach, ich gehöre hier nicht hin. Ich spiele einfach für die falsche Mannschaft. Aber ich wusste, ich kann auch nicht in einem Jungen-Verein spielen. Aber ich wollte diesen Sport ja trotzdem weitermachen.

Das sagt Uli. Uli ist 18, steht auf Fußball, kommt aus Berlin und hat eigentlich einen anderen Vornamen. Uli gilt als transsexuell. Das heißt, er wurde als Mädchen geboren, fühlt sich aber als Junge. Uli liebt Sport, wie viele andere Jugendliche, nicht nur Fußball, auch Tennis, Schwimmen und Fitness.
Die Sozialpädagogin Alice Stein beschäftigt sich professionell mit Uli und anderen transsexuellen Jugendlichen. Sie kennt seine Probleme auf der Suche nach Identität. Im Mädchen-Team fühlt er sich fehl am Platz, bei den Jungs hat er noch nicht mitgespielt.
Wie gehen Sportvereine und Lehrkräfte mit Jugendlichen wie Uli um?

Alice Stein: Wenn sich eine Veränderung im Geschlecht abbildet, nicht einfach zu sagen: Okay, Du kannst jetzt mit den Jungs trainieren oder Du kannst jetzt mit den Mädchen trainieren, sondern wird dann häufig gesagt: Nee, Du musst jetzt mit den Mädchen trainieren. Sport ist umheimlich wichtig, weil es dort um ein Spüren und ein Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper geht. Oft ist es so, dass der Körper bei Menschen, die transident sind, ein Körper ist, den sie ablehnen und so nicht möchten. Da ist der Umgang mit dem eigenen Körper ein sehr abgespaltener. Sport ist schon eine Möglichkeit, einen Körper, obwohl er nicht den Merkmalen entspricht, die sie gerne hätten, gut mitzubekommen oder zu spüren oder eben auch den zu trainieren oder dem irgendwie Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Da könnte Sport eine Menge bewirken, aber auch Sport im Verein.

Duschen, Umziehen, Trainingsklamotten an und ab zum Sport. Extra Kabinen für Transsexuelle gibt es nicht. Die meisten Menschen machen sich darüber natürlich keine Gedanken. Was aber beschäftigt Menschen, deren Körper rein äußerlich in die eine, vom Selbstverständnis her aber in die andere Kabine gehören?

Uli: Ja, klar. Innerlich bin ich ein Junge. Ich fühle mich so. Aber äußerlich ist es so ja, nein. Ich gehe auch immer in die Herrenumkleide, aber ich ziehe mich jetzt natürlich nicht um oder so. Aber allein schon das Gefühl oder so. Ich komme natürlich mit Sportsachen, mache meine Sporttasche rein und so, hab aber allein schon das Gefühl, dazu zu gehören. Schon das Gefühl, in die richtige Umkleidekabine zu gehen, das ist so stärkend. Ein Außenstehender kann sich das, glaube ich, gar nicht vorstellen. Aber für mich hat das so einen hohen Stellenwert, dass ich allein schon in die Herrenumkleide gehen kann. Das ist ein Stück Freiheit, würde ich mal so sagen. Wenn jetzt manche Männer wüssten so, oh Gott, da ist jetzt jemand, der sich zwar im falschen Körper fühlt, aber noch einen weiblichen Körper hat und in die Männerumkleide geht, also ich glaube, ich denke, da kommt dann auch sofort sowas wie: Oah, ey, sowas wie 'ne Transe oder was weiß ich. Aber ich denke mal schon, dass das mal der Fall ist. Aber na klar, bestimmt gibt es auch Leute, die auch diskriminiert werden, auch beim Sport oder so.

Wer sich bedeckt hält, wer sich nicht zeigt, hört auch keine blöden Sprüche. Was aber passiert da, wo Nacktsein einfach dazugehört, so wie im Schwimmbad?
In Berlin verabreden sich nun seid Juni 2012 Transsexuelle zum Schwimmen als Gruppe,
mit ihren Bekannten, mit ihren Freundinnen und Freunden.
Sie nennen das Queer Guerrilla Swim.
Was das genau heißt, erklärt einer der Organisatoren.

Organisator: Das Queer Guerrilla Swim ist eine Möglichkeit für Leute, zusammenzukommen. Und es ist eine Möglichkeit zu gehen zusammen zu einem Schwimmbad und zu zeigen: Ja, wir sind hier. Und wir sind nicht allein. Ich wünsche mir eine große Queer-Gruppe, dass wir können zusammen gehen, weil ich habe Angst allein zu gehen. Und da bin ich auf diese Idee gekommen. Es gibt ein Trans-Schwimmbad, dass ich kenne und so es gab viele Gespräche und Diskussionen über gehen wir ohne T-Shirts, gehen wir mit? Zeigen wir die Titten? Am Ende sind viele von uns in den Pool gegangen, ohne T-Shirt. Wir hatten keinen Stress, aber als wir ins Wasser gegangen sind, ohne T-Shirt: Das war ein Statement.

Diese Aktion funktioniert, weil die Leute Gemeinschaften bilden, weil sie zusammen auftreten, obwohl sie sich sonst nicht in diesen öffentlichen Raum trauen würden.
Uli zeigt sich nicht so offen. Er möchte so schnell wie möglich ein Mann sein, um fertig zu sein, um ans Ziel zu kommen, wie man im Sport vielleicht sagen würde.
Er will, dass endlich alle Unklarheiten beseitigt sind.

Ulli: Mein größtes Ziel ist es wirklich, im Sommer oben ohne schwimmen zu können, einfach so in Freiheit zu sein.

Freiheit, frei von Zweifeln, frei von doofen Sprüchen, ob als Sportler im Fitnessstudio oder beim Fussball. Balian Buschbaum war erfolgreich im Spitzensport und steht im Fokus der Medien, hat als Yvonne Buschbaum große Erfolge erzielt und Meisterschaften gewonnen.

Uli: Buschbaum, der ist jetzt groß raus so. Aber auch erst nachdem er fertig war. Hat er sich jemals gezeigt, wo er im Umlauf war? Auch nicht! Weil er wahrscheinlich auch Sprüche bekommen hat. Na klar, jetzt sieht er aus wie ein Mann. Da würde niemand mehr sagen: Ach, sie waren mal eine biologische Frau?

In anderen Lebensbereichen geht Uli offensiver mit seiner Transsexualität um. Mit Freunden und Familie, selbst mit seinem Chef hat er darüber gesprochen. Im Sport dagegen hält er sich noch bedeckt und will abwarten, bis die Geschlechtsangleichung abgeschlossen ist. Erst dann will er als freier Mann Sport treiben.

Kommentare
29.01.2014 / 15:19 fredi, radio flora, Hannover
Im Zip FM vom 29.1
danke
 
23.03.2014 / 19:49 Rubi, LORA München
gesendet am 20.03.14
auf Lora München. Danke