"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Eiserne Disziplin

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Eiserne Disziplin muss uns durch die nächsten vier Jahre tragen, der feste Wille, Fotos und Tweets zu ignorieren und niemals nicht auf irgendwelche Schlagzeilen zu kucken, welche der nun in­am­tierte oberste Schafseckel in den Vereinigten Staaten am Laufmeter produziert, sowie die innere Größe, dies auch durchzuhalten.
Audio
11:24 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.01.2017 / 17:24

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Religion, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.01.2017
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Ich gelobe, mich an diesen Leitlinien auszurichten, auch wenn es schwer fallen wird, und vor allem muss ich gleich mit einer Ausnahme beginnen, aber nur, um einen Irrtum aus der Welt zu schaffen, welcher möglicherweise den einen oder die andere dazu bringen könnte, die Leitlinien immer wieder zu verlassen: All denjenigen, welche glauben, dass der Schafseckel tatsächlich einen Atomkrieg auslösen könnte, versichere ich hiermit eidesstattlich, dass die Soldaten, welche den geheimen Kommandoraum bewachen, wo der Präsident auf den roten Knopf drücken müsste, um diesen Krieg auszulösen, dass diese Soldaten also strikte Anweisungen haben, den Schafseckel zu erschießen, wenn er sich je auch nur einen Kilometer an den Kom­man­do­raum heran wagen sollte. Dies ist, glaube ich, die letzte sachdienliche Information zum Thema; der Rest ist Schweigen.

Schweigen ist ein großer Rest, das muss man laut sagen. Angesichts der Sprach-Sintflut, welche aus den sozialen Medien ohne Unterlass hernieder regnet, mag das als seltsame Aussage erscheinen; aber wenn wir uns vergegenwärtigen, welches allfällige Inhalte jener Dauerbequasselung sein könn­ten, die schon wie ein Wasserdunst im Raum steht, wenn wir uns weiter vergegenwärtigen, au­f­grund welcher Mechanismen jene Welt sich organisiert, in der wir leben, ohne dass wir irgend einen Zugriff auf sie haben, wird eine jede und ein jeder zugeben müssen, dass über die tat­säch­lichen Entscheidungen und Entwicklungen kaum einmal auch nur ein Bruchteil eines Wortes, also zum Beispiel die Buchstabenkombination Q, U, A, R, K, das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Ab­ma­chungen und Verträge, welche tatsächlich von Bedeutung sind, bleiben den allermeisten Menschen zeit ihres Lebens verborgen. Nur worüber geschwiegen wird, ist real, vom Handelsvertrag bis hin zur Vergabe eines Auftrags zur Sanierung der drei Nebenstraßen bei euch um die Ecke, ihr werdet niemals die richtigen Inhalte und vor allem jene Absätze zu Gesicht erhalten, in welchen geregelt ist, wer von diesem Auftrag direkt oder indirekt profitiert. Über die Realität wird nur noch geschwiegen, und somit müsste ich konsequenterweise meine Betrachtungen aus neutraler Sicht nur noch als leises Rauschen vorsummen. Das mache ich natürlich nicht, weil es sich ja auch um Betrachtungen handelt und nicht um Verträge, welche ich mit Radio F.R.E.I. abgeschlossen hätte.

Nun denn, versuchen wir weiterhin, so zu tun, als gäbe es noch Information jenseits des all­ge­mei­nen Sprechens, zum Beispiel jene, welche ich der Webseite des italienischen Magazins L’Espresso entnehme, weil ich wieder mal zu faul war, die Papierausgabe zu kaufen beziehungsweise weil die Papierausgabe erst mit einer Verspätung von zirka einer Dreiviertel Woche bei uns an den Kiosken ausliegt. Der Espresso schreibt also, und macht uns damit gleich wieder einen unserer Shooting Stars madig, nämlich Justin Trudeau, den jugendlichen Premierminister von Kanada, dass sich die N’Drangheta unterdessen in Kanada breit mache bei ihren Bemühungen, ihr kriminelles Geld weiß­zuwaschen. Jetzt hatten wir Kanada doch immer als jene Zone auf dem nordamerikanischen Kontinent betrachtet, wo man sich noch innerhalb einer fast europäischen sozialdemokratischen Zivilisation befindet; keine nennenswerte Mordtätigkeit, pathologische Erdölabhängigkeit, aber sonst durchaus liberale Auffassungen, sogar auf dem Land, und in Vancouver eine Bevölkerung, welche mit den positivsten Seiten der menschlichen Entwicklung spielt, und alles in allem sogar in Sachen bedingungsloses Grundeinkommen eine der fortschrittlichsten Nationen mit dem konservativen Hugh Segal als einem der prominentesten Verfechter und dem ultrareaktionären Charles Murray als weiterem Anhänger, welcher allerdings das Grundeinkommen ausschließlich für den Abbau sämtlicher weiterer Sozialleistungen instrumentalisieren will. Wenn nun aber die N’Drangheta sich die Vorzüge dieser weitgehend friedlichen Gesellschaft zu Nutzen zu machen versucht, dann muss man sich doch Gedanken machen, obwohl wir einräumen, dass die Mafia den Großteil ihrer Gelder nicht in Kanada, sondern in der Schweiz bunkert und dass die wirklichen Bosse schon längstens nicht mehr in Sizilien, sondern in Küsnacht, Herrliberg und Stäfa wohnen.

Aber sprechen wir von etwas Erfreulicherem. Gegenwärtig sind die großen Herren wieder im Kommen respektive die großen Möchtegerns, wobei sie in einigen Ländern durchaus Erfolg haben, neuerdings und erst recht der Erdoganter, seit längerem der Urban Orban, in Polen versucht sich der hal­bierte Kacinsky-Zwilling, vom Putin/Medwedew-Gespann gar nicht zu reden, während der Lu­ka­schenko mittlerweile so alt ist, dass man sich schon unter dem Staub, der sich auf die Ver­hält­nis­se in Weißrussland gelegt hat, nach einem Nachfolger umsehen kann. Die größten Möchtegerns haben sich in Koblenz getroffen, wobei ich den österreichischen FPÖ-Politiker Vi­limsky zuvor noch gar nie wahrgenommen hatte. Wenn man hier eine Rangliste von Brechmitteln erstellen müsste, dann wäre bei mir mit Sicherheit Geert Wilders zuoberst. Der hat auch alle Voraus­set­zungen für einen weiteren Populisten-Clown, in erster Linie die durchgängige Selbstverliebtheit, welche sich ein echter Verdreher und Verführer nicht leisten darf. An ihrer Haartracht sollt ihr sie erkennen. Dass Frau Petry in dieser Runde wie eine Pennälerin dastand, will ich ihr nicht nachtragen, aber vor allem möchte ich mir die Unkorrektheit leisten, die Aussagen von Frau Le Pen nicht durchs Band für blöd zu halten, es ist mir unangenehm, aber die spricht oft vernünftiger als mancher Sozialdemokrat. «Ich liebe die Deutschen, weil sie Deutsche sind, und ich liebe die Franzosen, weil sie Franzosen sind», sagte sie irgendwann mal auf dem Podest, und da bringt sie etwas zum Ausdruck, das ich besser nicht sagen könnte: Wenn wir Europa errichten wollen, dann nicht unter Aufgabe der Eigenheiten, sondern geradezu unter Konzelebration der Eigenheiten der verschiedenen Länder und Kulturen. Bloß nicht in den Bereichen Bürokratie, Zentralismus und Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger.

Frau Le Pen sagt ja auch noch andere Dinge, die ich damit nicht gutgeheißen habe. Trotzdem finde ich es interessant, wie sich die rechten Nationalisten nun mehr oder weniger unfreiwillig zu einer neuen europäischen Union zusammen tun, und da wollen wir uns doch mal zurücklehnen und schauen, was daraus wird, während wir endlich unsere eigenen Programmreden zu verfassen beginnen.

Das Dumme an all diesen starken Männern sind nicht sie selber, sondern dass sie sich auf eine substanzielle Unterstützung in der Bevölkerung abstützen können. Das hat sicher zum einen damit zu tun, dass es unterdessen überall geläufig ist, die Demokratie in ihrer aktuellen Form eben nicht als tatsächliche Demokratie zu sehen, sondern als Schauspiel einer solchen, und hierin irrt sich die Bevölkerung in keiner Art und Weise. Dass sie sich dagegen dazu entschließt, ihre Gefühle, Leidenschaften und Emotionen solchen Kasperfiguren anzudienen, welche ihrerseits nur Schauspielerinnen und Schauspieler von längst untergegangenen Kompositionen sind, das muss man der Bevölkerung und meinetwegen sogar dem Volk insgesamt schwer anlasten. Tatsächlich kriegte dieses Volk in den letzten zwanzig Jahren vor allem aus dem Grund halbwegs anständige Zensuren, weil es sich mehr oder weniger gefügt und geduckt hat in das, was man heutzutage als absolutes Minimum an anständigem Leben so serviert erhält. Nun aber, wo bei einem doch bemerkbaren Teil die letzten Stofffetzen von der Kacke gefallen sind, da muss man halt eben diesem Volk oder mindestens jenem Teil der Bevölkerung, der noch bei Sinnen ist, unter anderem auch die Leviten lesen. So viel sollte heute doch jede und jeder begriffen haben, dass man nicht die krudesten Verstöße gegen Gesetz und Moral begeistert bejohlt und sich vor Freude in die Hosen pisst, wenn da endlich mal wieder eine oder einer es wagt, gegen die Juden zu hetzen. Nur als Beispiel; es ist halt nach wie vor ein gutes Beispiel, weil es sich um eines der am tiefsten verankerten Tabus handelt zum einen und auf der anderen Seite, weil die israelische Regierung wirklich nichts unversucht lässt, den Ruf des jüdischen Staates gänzlich zu ruinieren. In diesem Zusammenhang weise ich wieder mal darauf hin, dass es in Israel nach wie vor viele intelligente und kultivierte Menschen gibt, welche all das zu verteidigen suchen, was unsereins als die Stützpfeiler der Zivilisation ansieht. Von diesen intelligenten und kultivierten Menschen sieht man auf der arabischen Seite nicht immer besonders viele. Aber auch dies kann sich und wird sich und muss sich bei Gelegenheit wieder ändern.

Vielleicht trägt ja der Syrien-Gipfel in Astana dazu bei. Ich habe den Eindruck, dass hier endlich mal die richtigen Leute an einem Tisch sitzen, und auch am richtigen Ort. Wenn der Erdodings­bums sich dazu bequemt, eine tragfähige Lösung zu unterstützen im Nahen Osten, welche auch den Kurden mindestens einen Rest an Atemfreiheit lässt, dann sehe ich ihm auch die Ballung der Macht in den Händen des Präsidenten nach, wie sie nun offenbar vorgesehen ist. Vielleicht ist die politische Entwicklung in der Türkei sowieso bloß ein Gradmesser der Entwicklung an anderen Orten; insgesamt erachte ich jedenfalls die Gefahr einer radikalen Islamisierung dieses Landes für verschwindend klein.

Unterhalb der Flut oder der Nebeldecke an Worten wird sich die Welt jedenfalls auch im Jahr 2017 munter weiter entwickeln, und es ist nicht zu erwarten, dass es eine Entwicklung zum Schlechten sein wird. Immerhin scheint die Zeit reif zu sein für die Auf- und Ablösung einiger Standard­floskeln, welche das Weltbild bisher sowohl in der Politik als auch in der Lügenpresse beherrscht haben. Eine davon ist jene von der jüdisch-christlichen oder christlich-jüdischen Kultur, die ihren Höhepunkt zweifellos mit den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten erreicht hat, meinetwegen mit dem bedeutenden Schweigen des katholischen Papstes dazu. Aber Blödsinn lässt sich überall finden. Zum Beispiel in der Berichterstattung über Mossul, wo der Krieg offenbar keinerlei Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert, im Gegensatz zu den Schergen Assads in Aleppo, wo einige intelligente Berichterstatter noch am Vorabend der Niederlage im Ernst behaupteten, die Siegertruppen würden jetzt sämtliche Rebellen abschlachten. Von diesem Gebrumms werden wir auch im Jahr 2017 noch genug auf den Weg erhalten. Mir machen in diesem Zusammenhang eher Meldungen Sorgen wie jene aus Norwegen, dass die sich jetzt darüber ereifern, dass in diesem Jahr nur 17 Wölfe abgeschossen werden dürfen anstatt wie im letzten Jahr 43. Es droht offenbar ein halber Volksaufstand beziehungsweise ein Zehntel, nämlich ein Zehntel der Bevölkerung ereifert sich über den entsprechenden Beschluss des zuständigen Ministers. Sie argumentieren mit den hunderten von Schafen, welche die Wölfe in diesem armen Agrarstaat jedes Jahr reißen. Das Schlimme und Heimtückische an den Wölfen ist zudem, dass sie mit Ausnahme von ein paar Dutzend Stück die Schafe auf eine Art und Weise reißen, dass anschließend nichts mehr von ihnen auszumachen ist, kein Skelett, keine Hautfetzen, als hätten sie nie gelebt. Aber die norwegische staatliche Schafversicherung, die wird diese Wolfsopfer wohl doch schon entgelten, will ich mal hoffen, sonst würde der Volkszorn ja in vollendet hohe Wellen aufgischten. Sintflutartig, nehme ich mal an.